Materialien 1975

Die Mieterinitiative Perlach-Ost

veröffentlichte Anfang 1976 eine Chronik von 1975:

Januar: Erste Aktionen der Mieter gegen Mieterhöhungen bei der „Neuen Heimat“. Mieter verteilen Flugblätter und sammeln Unterschriften.

Februar: Hunderfünfzig Mieter von „Ballauf“ beschließen, auf einer Mieterversammlung den erhöhten Aufwendungszuschuss nicht zu bezahlen.

April: Auf der Mieterversammlung der „Terrafinanz“-Mieter werden Kontaktleute gewählt, die dann in den Wohnblöcken achthundertfünfzig Unterschriften gegen die Nachzahlungen sammeln.

Mai: Kontaktleute aller Wohnbaugesellschaften bereiten gemeinsam eine Kundgebung gegen die Mietsteigerungen vor. Am 15. Mai demonstrieren zweitausend Perlacher unter der Parole „Wir müssen die Mieten jetzt stoppen“.

Juni: Einhundertsechzig „Terrafinanz“-Mieter verweigern die Nachzahlung.

Juli: Mietererhöhung am Oskar-Maria-Graf-Ring. Der Aufwendungszuschuss fällt verfrüht weg, da die Wohnungen durch das Olympische Komitee belegt waren. Mieter organisieren eine Unterschriftensammlung und schicken sie an den Oberbürgermeister und das Innenministerium. „Ballauf“-Mieter führen einen Warnstreik durch. Sie verweigern den erhöhten Aufwendungszuschuss und fordern Nachsubventionierung durch den Staat bzw. die Stadt. Am 9. Juli treffen sich die Mieterinitiativen mit dem Oberbürgermeister. Die „Terrafinanz“ lässt durch einen Rechtsanwalt die Nachzahlung anmahnen. Nur ein Teil der Mieter lässt sich davon einschüchtern. In einem Treffen der Mieter mit einem Rechtsanwalt beschließt man weiterzumachen.

August: Die „Terrafinanz“ verschickt Zahlungsbefehle. Cirka vierzig Mieter wehren sich weiter und legen auch dagegen Widerspruch ein.

September: Einige Mieter der „Terrafinanz“, die die Widerspruchsfrist nicht einhielten, werden gepfändet. Seit Mitte September findet regelmäßig im Frauentreffpunkt am Oskar-Maria-Graf-Ring eine Mieterberatung statt. Auf Druck der „Terrafinanz“-Mieter musste die Senkung der Kapitalzinsen an die Mieter weitergegeben werden.

Oktober: „Ballauf“-Mieter fordern Kaution zurück, da von ihnen ein Mietausfallwagnis gezahlt wird. Mit der gleichen Begründung fordern auch die „Terrafinanz“-Mieter ihre Kaution zurück. Nach Bekanntwerden der Aktivitäten der Mieter vom Oskar-Maria-Graf-Ring stellen verschieden SPD-Landtagsabgeordnete einen Antrag, um die Frist zur Erhöhung des Aufwendungszuschussses zu verlängern. In der Bürgerversammlung stellen Mieter eine Reihe von Anträgen, in denen sie bessere Aufklärung der Mieter durch die Stadt, keine versteckten Gewinne im sozialen Wohnungsbau, bessere Kontrolle der Wohnungsgesellschaften, Nachforderung der zwischen 1971 – 1974 gebauten Sozialwohnungen und Nachförderung der Wohnungen in den Olympiabauten forderten. Die Anträge werden alle einstimmig angenommen. Kontaktleute unterstützten Mieter im AWO-Altenheim wegen Mieterhöhung durch Mitberechnung der gemeinschaftlichen Gänge. Im Januar wird dort eine Mieterversammlung sein. „Ballauf“-Mieter verklagen die Stadt beim Verwaltungsgericht.

November: „Ballauf“-Mieter bekommen Kaution – allerdings ohne Zinsen- zurück. „Terrafinanz“ erklärt sich bereit, Kaution zurückzuzahlen und mit der Januarmiete zu verrechnen.

Dezember: Als Weihnachtsgeschenk kommen die ersten Gerichtsvorladungen wegen der Nachzahlungsverweigerungen bei den „Terrafinanz“-Mietern an. Einigen „Ballauf“-Mietern, die sich immer noch weigern, den erhöhten Aufwendungszuschuss zu bezahlen, wird mit der Kündigung gedroht.

Und schließlich: Die Mieterinitiative hat nach einjährigem zähen Kampf um die Nachforderung für 1974 einen großartigen Erfolg errungen! Mit Urteil vom 17. Februar 1976 (Aktz. 20c 3699/75) und Urteil vom 19. März 1976 (Aktz. 5723/75) hat das Amtsgericht die Klage der Hausverwaltungsgesellschaft Neuperlach, TERRAFINANZ, auf Zahlung einer Mietnachforderung vom 1. Januar 1974 – 31. Dezember 1974 abgewiesen. Der Rechtsstreit von drei Mietern mit der TERRAFINANZ, die sich geweigert hatten, den Nachforderungsbetrag zu zahlen, ist eine Bestätigung der Mieterinitiative in ihrem Bemühen um Gerechtigkeit im Sozialen Wohnungsbau!

Was nun?

Die TERRAFINANZ hat den Prozess verloren und damit auch den Anspruch auf das Geld für 1974. Die Prozesse hatten exemplarische Bedeutung für die Anwesen Stemplinger Anger, Oskar-Maria-Graf-Ring, Gerhard-Hauptmann-Ring und Annette-Kolb-Anger!

DAS BEDEUTET FÜR ALLE MIETER DIESER ANWESEN, DASS SIE IHR GELD ZURÜCKBEKOMMEN KÖNNEN!

Kommen Sie in die MIETERBERATUNG montags von 19 – 21 Uhr im Frauentreffpunkt, Oskar-Maria-Graf-Ring 20. Dort gibt es Hilfe und Anweisungen, welche weiteren Schritte unternommen werden, oder wenden Sie sich an Ihre Kontaktmieter, bzw. an folgende Mieter der Mieterinitiative: Herr Leander, Annette-Kolb-Anger 2, Tel. 63 16 10; Herr Hild, Gerhard-Hauptmann-Ring 29, Tel. 67 02183; Herr Viertler, Oskar-Maria-Graf-Ring 5, Tel. 67 03 416; Frau Matheis, Stemplinger Anger 11, Tel 67 09 008.


Peter Schult/Ralph Schwandes/Herbert Straub/H.-Rainer Strecker/Ursula Wolf, Stadtbuch für München 76/77, München 1976, 168 f.

Überraschung

Jahr: 1975
Bereich: Stadtviertel

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