Materialien 1975
Selbstverwaltetes Stadtteilzentrum in Neu-Perlach
Im Mai wurde in Neuperlach das SSZ eröffnet. Zwei Jahre hatte die „Katra“-lnitiative mit breiter Unterstützung der Neuperlacher Bevölkerung für ein SELBSTVERWALTETES STADTTEIL-ZENTRUM gekämpft.
Sie forderten dazu von der Stadtverwaltung die drei Ladenbaracken am Karl-Marx-Ring. Die Stadt reagierte prompt. Ein Jahr später (Ende 1974) waren zwei Baracken schon abgerissen. Um die Erhaltung der übriggebliebenen Katra-Baracke durchzusetzen, begann sich die Katra-Initiative nach außen zu wenden: sie stütze sich dabei auf das starke Interesse der Neuperlacher an einem eigenen Zentrum, in dem sie ihre Interessen und Bedürfnisse gemeinsam organisieren und entfalten können.
Man sammelte Unterschriften, organisierte Informationsveranstaltungen und Info-Stände in den Ladenzentren dieser Beton-Wüste. Und immer wieder versuchte man die Stadt zum Kauf der guterhaltenen Katra-Baracke zu bewegen. Als das alles nichts nutzte, gingen die Neuperlacher direkter vor. Sie protestierten mit einer Demonstration durch Neuperlach gegen die unverschämte Hinhaltetaktik des Stadtrates. In einer Reihe von weiteren Aktionen entstand dann die Forderung nach sofortigem Kauf der Baracke und ihre Selbstverwaltung durch die Neuperlacher. Eine Bürgerversammlung unterstützte dies mit großer Mehrheit. Je mehr die Forderungen von breiten Kreisen der Bevölkerung (zum Beispiel der Mieterbewegung) getragen wurde, desto eher sah sich die Stadtverwaltung zu konkreten Schritten gezwungen. Da die Neuperlacher zudem von einer (!!) Stadträtin unterstützt wurden, kam es zu Abstimmungen in den einzelnen Ausschüssen, die nach langem Geplänkel schließlich mit dem Kauf der Baracke endeten.
Neuperlacher Jugendliche bauten daraufhin „Katra“ mit Unterstützung einiger Erwachsener aus.
So wurden Zwischenwände eingezogen und damit neue Räume geschaffen (zum Beispiel Werkraum, Sport- und Clubraum) Toiletten wurden eingebaut; man hat die Baracke neu gestrichen. Sämtliche Stromleitungen wurden selbst verlegt. Und etliches mehr. Der Kostenvoranschlag des Städtischen Baureferats war 110.000 DM. Nachdem die Neuperlacher für den Ausbau aber nur 40.000 DM verbrauchten, haben sie durch freiwillige Arbeit der Stadt 70.000 DM gespart; von denen sie bis heute und wahrscheinlich für immer vergeblich hoffen, dass sie für ähnliche Projekte in Neu-Perlach verwendet werden. Inzwischen steht das SSZ und wird seit mehr als einem Monat voll betrieben. Selbstverwaltet. Unter eigener Regie.
Das wichtigste Organ in der Selbstverwaltung ist die Vollversammlung. Sie besteht aus Neuperlacher Arbeitern, Schülern, Lehrlingen, Jugendlichen und Erwachsenen. Alle wichtigen Entscheidungen werden hier getroffen.
Die Aufgaben des Selbstverwaltungsrates bestehen darin, den offenen Betrieb und die Fremdgruppen zu organisieren. Er sorgt für die Durchführung der Vollversammlungsbeschlüsse.
Der Beirat besteht aus dem Hauptamtlichen des SSZ, aus Vertretern des Rates und aus Vertretern der Stadt. Er vertritt die Arbeit des SSZ nach außen. Es gibt im SSZ für Interessierte folgende Gruppen, bzw. es sind geplant: Frauengruppe – Mädchen; Sport- und Mediengruppe; Holz- und Metallwerkkreise; Lehrlingsgruppe; Theater- und Songgruppe; Elektronikarbeitskreis und Naturwissenschaften. Dazu am Sonntag Kaffeekränzchen, samstags Familienstammtisch, Nachbarschaftskino am Mittwoch und Altennachmittag; es gibt eine Diskothek und natürlich viel politisches.
Helfen wir alle mit, das SSZ zu tragen. Es musste lange erkämpft werden.
Peter Schult/Ralph Schwandes/Herbert Straub/H.-Rainer Strecker/Ursula Wolf, Stadtbuch für München 76/77, München 1976, 170 f.