Materialien 1976

Fest am 2. Dezember

in München am Stiglmaierplatz

„… wenn die Nacht am tiefsten ist der Tag am Nächsten!!!“

Vielleicht wird sie auch ein Fest – die Veranstaltung zur „Freiheit der Meinungsäußerung“.

Geplant ist eine ganze Menge: Das Blatt sagt kurz was zu seinem K®ampf und was es zusammen mit seinen Freunden zu tun gedenkt. Der Trikont-Verlag spricht über Selbstzensur, die bei ihm nicht stattfindet!!! Hella Schlumberger weiß Genaues über Strauß-Spinola-Portugal, die „Roten Rüben“ erzählen über ihren Existenzkampf als Theatergruppe und irgendjemand wird was zum Film bzw. zur Filmförderung beitragen.

Ein bisschen skeptisch sind wir ja schon geworden, was Feste anbelangt und wollen deshalb auch nicht zuuviel versprechen – aber es kann eigentlich ganz gut werden:

Viel Diskussionsstoff wird das Stück der „Roten Rübe“ abgeben (wer hat noch nichts von ihrer „Paranoia“ gehört). Und wer noch nichts von den „Ton – Steine – Scherben“ gehört hat, ist selbst schuld. Und genau die sind endlich, seit langer, langer Zeit mal wieder live und leibhaftig in München. Schließlich halten wir es für verdammt notwendig, immer und immer wieder klarzumachen und zu demonstrieren, dass Berufsverbote, Bücherverbrennungen, Anwaltsausschlüsse, Gesinnungsurteile, Abtreibungsverbote … gegen uns geschaffen worden sind und wir nicht bereit sind, dies alles hinzunehmen.

Also: am 2. Dezember Einlass ab 18 Uhr, Beginn 19 Uhr,
im großen Festsaal des Löwenbräu, Stiglmaierplatz zum Solidaritäts(!)preis von 8 Mark.

Vorverkauf: Basis, Schwarzmarkt, Libresso und AZ

Zum Tanzen, Verkleiden und Entfesseln
Dem Alltag lachend ein Schnippchen schlagen
Gaudi an die Macht, dann hat jede Macht ausgedient

Am Samstag, den 27. November um 19 Uhr betritt dieser liebliche und leidenschaftliche Virus in uns allen die Betonöde der Olympiamensa, um sie zu bepflanzen mit unseren verrückten und bizarren Tänzen, entfesseln, um in ihr die kühnsten Steinblumen von Liebe, Einanderverstehen blühen zu lassen unsere Verkleidung – wie gut, dass niemand weiß, dass ich … heiß, wird sich auch der Mauern bemächtigen, um uns niemals mehr durch sie voneinander trennen zu lassen.

In diesem Urwald voll verrückter und wahnsinniger Leidenschaften, Launen und Begierden, jedoch auch mancher verteufelter lockender Falle, spielen für all die Hexen, Gaukler, Entfesselungskünstler, Schlangenbeschwörer und was alles noch so hereinfahred, die Alain-Smithband – früheres Mitglied der damals noch so rebellischen Mothers of Invention – Rock’n Roll und Reggae Musik. Mit ihnen kommt eine ganz ganz irre Lichtschau fast wie aus dem Universum selber. Weiter kommt die Harry Bös Combo mit ihrem wunderschönen spacerock. Die Sümpfonie Kappelle rot versumpft mit einer wirklichen Riesenbesetzung, fordert uns zu heißem Tango, Walzer-, Schieber- und noch mehr Rhythmen auf – es lebe die Poesie unserer Körper. Weltbekannte Artisten mit ihrem ebenso weltbekannten Programm treten auf, meistens sind ihre tollkühnen Nummern Weltaufführungen, Zauberer werden noch gesucht, können sich also noch einzaubern. Last not Least die frechen aufrührerischen Lieder von Tommy. Für die Tonbandgeräte werden Kassetten mit Sprüchen, Geräuschen, Gerüchten usw. gesucht. Nehmt mit euren mitgebrachten Tonbandgeräten das Fest auf, macht Interviews, spielt sie wieder vor. Für unseren ‚Magen’ sorgt Lebascha in Cooperation mit Erdgarten und Friends. Getränke werden ausgeschenkt vom bewährten Team aus dem Stadtteilzentrum Milbertshofen. Den Erlös aus dem Eintritt von 7,50 DM stellen wir der sozialen Bewegung zur Verfügung, die die Kälte, Langeweile, das Leiden, das Opfer, den Tod in den Betonwüsten auf die Müllhalden der alten Welt hinauskarrt – dazu macht die HAM ’n Schminktisch.

Weit öffneten die Gesichter ihre Fenster, man lüftete sein Inneres,
jeder war schön ohne daran zu denken.


Blatt . Stadtzeitung für München 82 vom 26. November 1976, 15.