Materialien 1976
as graue land
dees land is koid des land is grau
dees land is nimma weiß & blau
dees land is grang, dees ko a jeda seng
dees land is nimma bsundas schee zum lem
dees land faschandld & fakaffd
wea hod des gmachd wea hod des gmachd
i sig de dodn leid schbaziange
mid laare augn und koide hend
i sig di dodn fisch im wassa
i hob mi do dro no ned gwend
i sig den rauch greageib und gifti
i riach den gruch nachds wane draam
i hea de dodn bleame woana
und in mia drin ziagdse ois zamm
i kumma foa wia in an gfengnis
wosd lanxam kloaweis higmachd weasd
i woas ned obs eich a so ged
i woas ned obs ia dees aa meakds
dees land is koid …
i gschbia drozdem i leb a weng
oba a weng is no ned gnua
i mechad lem und nix wia lem
und do kead no mea dazua
i brauch de lufd
weil i muas schnaufa
i brauch de wiesn und de beag
i brauch a wassa und an woid
und i brauch koa atomkraftweak
dees land kead uns
dees miasma dene song
weises wadscheins
scho lenxd fagessn hom1
Carl-Ludwig Reichert, um 1976
Carl-Ludwig Reichert/Michael Fruth, ois midnand, Feldafing 1980, 69 und: Beiheft zu Katz Seger und Olli Nauerz’ Bairisches Kruzefix. „Mia san dageng!“ Born Bavarian, Bazis, Wuide Wachl, Gratla Bänd, Minga, Mob, Sparifankal, 2002, 45.
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1 Das graue Land. // Das Land ist kalt, das Land ist grau, / das Land ist nicht mehr weiß und blau. / Das Land ist krank, das kann ein jeder sehen, / das Land ist nicht mehr besonders schön zum Leben. / Das Land verschandelt und verkauft, / wer hat das gemacht, wer hat das gemacht? / Ich sehe die toten Menschen spazieren gehen / mit leeren Augen und mit kalten Händen. / Ich sehe die toten Fische im Wasser. / Ich habe mich daran noch nicht gewöhnt. / Ich sehe einen Rauch grüngelb und giftig, / ich rieche den Geruch nachts, wenn ich träume. / Ich höre die toten Blumen weinen / und in mir drinnen zieht sich alles zusammen. / Ich komme mir vor wie in einem Gefängnis, / wo du langsam Stück für Stück vernichtet wirst. / Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht? / Ich weiß nicht, ob Ihr auch etwas bemerkt? / Das Land ist kalt … / Ich spüre trotz-
dem, dass ich ein wenig lebe, / aber ein wenig ist noch nicht genug. / Ich möchte leben und nichts wie leben / und da gehört noch mehr dazu. / Ich brauche die Luft, / weil ich atmen muss. / Ich brauche die Wiesen und die Berge. / Ich brauche das Wasser und einen Wald / und ich brauche kein Atomkraftwerk. / Dieses Land gehört uns, / das müssen wir ihnen sagen, / weil sie es wahrscheinlich schon längst vergessen haben.