Materialien 1976

Polizei macht für Bommi Baumann Reklame

München (Blatt, ID) 11. Februar

„Taktische Beweglichkeit, Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Vorrang psychologischer Maßnahmen vor Anwendung unmittelbaren Zwanges bei konsequenter Beibehaltung der guten Laune. Kurz gesagt: Die Grundsätze der „Münchner Linie“ empfiehlt der Münchener Polizeipräsident Dr. Manfred (Kugel) Schreiber in einer Festschrift zur „Nacht der starken Männer“, einer Faschingsveranstaltung der Münchner Polizei, seinen Polizisten.

Ganz so ungetrübt wird die Freude allerdings nicht sein, denn die vom Polizeipräsidenten empfohlene „taktische Beweglichkeit“ scheint vom Personalrat des Polizeipräsidiums etwas falsch verstanden worden zu sein.

Da besetzten nun die Kollegen von der politischen Abteilung am 24. November 1975 mit einem Großaufgebot die Verlagsräume des Trikont Verlages und beschlagnahmten 300 Exemplare des Buches „Wie alles anfing“ von Michael „Bommi“ Baumann, und zwar wegen angeblicher Verherrlichung und Billigung von Straftaten nach § 131 StGB. Bommi hatte auf Seite 5 des Buches geschrieben: „… der ernsthafte Versuch, mit Waffengewalt eine Veränderung der Verhältnisse herbeizuführen, … war richtig und nützlich“, und: „… nach der großartigen Lorenz-Entführung, einem wirklichen Meisterstück der europäischen Stadtguerilla …“

Während nun die Kollegen von der politischen Abteilung zutiefst befriedigt über den erfolgreichen Abschluss ihres Einsatzes heimkehrten und die „staatsgefährdenden“ Bommi-Bücher im untersten Keller der Ettstraße verbargen, damit ja keine unschuldige Seele Einblick nehme in die Taten des 2. Juni, setzten sich die Kollegen vom Personalrat der Polizei ans Telefon und warben Interessenten für die Festschrift der Polizei zur „Nacht der starken Männer“. Korrekt und zuverlässig, wie Polizisten nun einmal sind, wurde das Branchenverzeichnis von A – Z systematisch durchgearbeitet und natürlich auch der Buchstabe T wie Trikont nicht ausgelassen. Also klingelte es beim Verlag und man bat um eine Anzeige. Der Wunsch der Polizei blieb nicht ungehört, schließlich soll man ja als guter Bürger den Freund und Helfer unterstützen. Und so flatterte der Polizei ein nettes kleines Inserat ins Haus, das auch prompt an die Anzeigenabteilung weitergeleitet wurde. Schließlich soll ein Beamter nicht denken, sondern seine Pflicht erfüllen.

Wer sich nun also durch die Grußworte von Merk und Schreiber durcharbeitet und Seite um Seite der Festschrift der Münchner Polizei durchblättert, der stößt plötzlich auf folgendes Inserat:

„Ein Buch für jeden Polizisten: Michael „Bommi“ Baumann, Wie alles anfing. Bestellungen an Trikont Verlag, 8 München 90, Josephsburgstr. 16, 141 Seiten, 10, DM.“

Ein kleines nettes Bömbchen flattert durch die Zeilen und rechts unten hockt eines der allzu bekannten kleinen Männchen und lässt erstaunt ein Fragezeichen aus seinem Kopf entweichen. So wirbt unsere liebe Münchner Polizei für ein Buch, das von der Münchner Polizei als staatsgefährdende Literatur beschlagnahmt wurde und dessen Autor von der Münchner Polizei steckbrieflich gesucht wird.

Wenn das keine „taktische Beweglichkeit“ ist.


Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten ID 112 vom 14. Februar 1976.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Bürgerrechte

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