Materialien 1976

Unterdrückte Nachrichten

Nachfolgende Erklärung wurde uns mit den Wunsch nach einer Veröffentlichung zugesandt mit dem Zusatz, dass sie nicht im I.D. veröffentlicht wurde. Es ist damit die einzige Veröffentlichung, die diesem Dokument widerfährt.
Die Redaktion

Nach einem Sparkassenüberfall in Tennenlohe (Ortsteil von Erlangen) wurden Irmgard Deschler und K.-H. König von Passanten und Sparkassenkunden festgenommen. Gegen Irmgard Deschler lag seit Sommer letzten Jahres ein Haftbefehl vor, da in ihrer Wohnung eine Bombe hochging. Das sogenannte Anarchistenpaar wurde vom LKA und in der Tagesschau vom 31. März 1976 als „lang-
gesuchte anarchistische Gewalttäter“ ausgegeben, wobei König dem „Sympathisantenkreis“ der „Münchner Anarchistenscene“ zugezählt wird.

Karl Heinz war aber weder langgesucht noch anarchistischer Gewalttäter und hatte etwas gegen die Sympathisanten der Münchener Anarchistenscene. Bei der ersten Hausdurchsuchung in Karl Heinz’ Münchener Wohnung wurde er im Zusammenhang mit G. Will lediglich erkennungs-
dienstlich behandelt und dann wieder freigelassen wie so viele andere auch. Bei der zweiten Hausdurchsuchung in seiner Wohnung wurde ein alter ihm gehörender Mercedes, der schon längst abgemeldet war, beschlagnahmt als nachträgliche Begründung von plötzlich aufgetauchten Ver-
dachtsmomenten, dass er „Mitglied einer internationalen Autoschieberbande“ wäre. (Die Fahr-
gestellnummer stimmte nicht überein.) Das Schrottauto wurde später wieder freigegeben. Auch begriff Karl Heinz sich nicht als anarchistischer Gewalttäter im herkömmlichen Sinne der herr-
schenden Ordnung noch im Sinne der linken und nahm damals schon aufsehenerregende Posi-
tionen gegen die Lorenzentführung ein, der er lange nicht die Bedeutung beimass, wie manche Hurrapatrioten der Anarchistenscene, deren verbale Lobhudeleien über die gelungene Aktion als Kontemplation er verabscheute.

Karl Heinz isolierte sich zunehmend von jeglicher Sympathisantenscene und kann somit auch nicht dazugezählt werden. Aus dieser Isolation und aus der Tatsache, dass sie keine Kohle hatten, also aus einer reinen Notsituation, ist wohl zu erklären, dass sie einen Bankraub versuchten, obwohl sie keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet hatten. Die situationistische Parole „Arbeitet nie“ deckte sich als subversive Theorie mit seiner persönlichen Erfahrung als Malocher, der in seiner Kindheit nichts anderes als Erziehungsheime sah, lediglich einen Volksschulabschluss machen konnte und später als Malocher hinreichend erfahren konnte, wie man sein Leben vorzeitig beenden kann. Seine politische Einstellung versuchte er im Laufe seiner Entwicklung immer mehr mit seinen persönlichen Bedürfnissen und Interessen in Einklang zu bringen und lehnte somit radikal jegliche politische Arbeit für oder gegen etwas ab.

Er versuchte konsequent sich selbst wiederzufinden und zu realisieren. Somit ging es ihm nicht um eine politische Arbeit im konventionellen Sinn, die er als spezialisierte Tätigkeit mit gesellschafts-
reproduzierender Funktion betrachtete, sondern um die Aufhebung der politischen Arbeit und der Politik überhaupt.

Erlangen, den 1. April 1976


Revolte! Organ der Subrealisten 15/16 vom Juni 1976, Hamburg, 10.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Bürgerrechte

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