Materialien 1976

Presseerklärung

Basis
8 München 40
Adalbertstraße 41b – 43
20. August 1976

Am Mittwoch, 18. August 1976, wurde die Basis Buchhandlung und die Wohnung von zwei Mitgliedern des Basis-Kollektivs in einer großangelegten Polizeiaktion durchsucht, mit Beteiligung mehrerer Beamter des BKs, des LKs und eines Staatsanwalt der Bundesanwaltschaft Karlsruhe.

Der Durchsuchungsbefehl lautete auf:

Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 und bezog sich auf den angeblichen Vertrieb einer Flugschrift mit dem Titel „Revolutionärer Zorn“. Diese wurde beschlagnahmt, ebenso das Baumann-Buch für eine ¼ Stunde, wurde dann aber wieder freigegeben.

Dagegen wurde mit anderen Gegenständen das Bommi-Buch bei der Durchsuchung der Privatwohnung beschlagnahmt. zum ersten Mal kommt der Maulkorbparagraph 88a zusammen mit § 129 (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung) zur Anwendung. Das bedeutet, es ist eingetreten, was man in der Kritik und in Protestveranstaltungen gegen den Maulkorbparagraphen sich als ein Zukunftsgespenst ausgemalt hat: die totale Kriminalisierung von Gegeninformation, linker und kritischer Literatur, die Anwendung der Zensur bis zur existentiellen Vernichtung alternativer Einrichtungen, Lebenszusammenhänge.

Die bürgerliche Presse berichtet von „Polizeiaktionen gegen linke Buchläden“ in der selbstverständlichen Weise, wie fast jeden Tag Verhaftungen von linken Anwälten ect. inzwischen zur Tagesordnung geworden sind, um die linke Bewegung in der BRD zu kriminalisieren.

Dazu dient das Schreckgespenst des „Terrorismus“, mit dem die Ausschaltung der rechtlichen Ansprüche auf einen Einspruch gegen die gewalttätigen Überfälle der Staatsorgane auf Buchläden etc. konsequent vollzogen wird.

Nicht nur dass die Ermittlungsverfahren aufgrund der Berufung auf die Paragraphen keiner weiteren Begründung mehr bedürfen, sondern auch die absolute Willkür und Entrechtung, die bei Hausdurchsuchungen gegen Menschen und Dinge ausgeübt wird.

Die Berichterstattung der bürgerlichen Presse konstatiert die Überfälle. Sie ist damit das öffentliche Vollzugsorgan der gesetzmäßig eingerichteten Zensur.

Wir fordern deshalb die Journalisten auf, selbstständige Recherchen anzustellen, mit den Betroffenen selbst Kontakt aufzunehmen und den Presseverlautbarungen des BKA und der Bundesanwaltschaft zu misstrauen

Die Gewalt entsteht da, wo die existentielle Vernichtung der Kritik betrieben wird, wo mit gezogenen Pistolen in die Wohnungen eingebrochen wird und die Bewohner aus ihren Betten getrieben, an die Wand gestellt und durchsucht werden, wo mit Gewalt der Widerstand der politischen Bewegung gegen den schleichenden Faschismus gebrochen werden soll.

Aber wie Alexander Kluge sagt: Sie können nicht mit ihren Wurschtfingern in unseren Gehirnen wühlen – sie müssten uns die Zunge heraus reißen, um uns zum Schweigen zu bringen, sie müssten uns die Augen raus reißen, um uns das Sehen zu verbieten. Sie können den „revolutionären Zorn“ als Papierhaufen wegtransportieren, aber nicht unsere Wut über die Entrechtung unserer menschlichen Existenz.

Die Anwendung der Paragraphen kann man sich kaum vorstellen, wenn man die lakonische Berichterstattung verfolgt. Aus dem Gedächtnisprotokoll eines Betroffenen wird sie deutlich als der gewaltige Eingriff, der den ganzen Menschen treffen soll:

„… Durchsuchungsbefehl erstreckt sich nur auf die Räume der Leute, die in der Basis arbeiten. Trotz Einspruch aller Hausbewohner werden auch die Zimmer der anderen durchsucht mit der Begründung, dass diese Zimmer ja auch den Beschuldigten zugänglich seien.

Bei mir durchsuchten einer vom BKA (gab nicht seine Amtsbezeichnung her) und ein Uniformierter, während andere noch mit gezogenen Pistolen im Haus herumrennen. Hausbewohner, die zur Arbeit müssen, werden an die Wand gestellt und durchsucht. V. wehrt sich gegen die Durchsuchung seines Zimmers, wird aber gewaltsam ins Zimmer gedrängt.

Durchsuchung meines Autos, bringt aber auch nichts.

6.45 Uhr: Ts. Zimmer wird durchsucht, nachdem sie als Zeugin dabei ist. (Mir scheint. die Zimmer wurden erst durchsucht, nachdem sich die Mitbewohner als Zeugen zur Verfügung gestellt haben.) J. ist auch in der Arbeit, also wird sein Zimmer gleich mitdurchsucht.

7.45 Uhr: Ich werde gezwungen, zum Laden mitzufahren, obwohl die Durchsuchung der Wohnung noch voll im Gange ist., ja gerade erst neue Einsatzwagen vorfahren. Während der Fahrt zum Laden sehe ich Zivile im ganzen Viertel, am alten Nordfriedhof auch Einsatzwagen. Mit Umweg zum LKA – dort steigt ein STA der Bundesanwaltschaft zu – gehts zum Laden. Dort Durchsuchung der Räume, Unterlagen, Karteien. Es werden einige Exemplare des Rev. Zorns gefunden, einer bis jetzt nicht verbotenen Druckschrift. Das Buch von B. Baumann „Wie alles anfing“ wird vom BKA gleich mitbeschlagnahmt, aber nach Telefonat mit der Staatsanwaltschaft München wieder zurückgegeben.

Meine Weigerung, die Geschäftsräume in der Adalbertstr. 43 zu öffnen, auf welche sich der Durchsuchungsbefehl nicht bezog, wurde so kommentiert: dann wird die Durchsuchung eben jetzt angeordnet – Gefahr im Verzug. Beschweren können Sie sich ja hinterher. Nach Beendigung der Durchsuchung von Nr. 43 werde ich gegen meinen Willen und ohne irgendeine Erklärung (ich bin weder vorläufig festgenommen noch liegt sonstwas vor) zum LKA München verschleppt (es weiß ja inzwischen niemand mehr, wo ich eigentlich bin) und dort erkennungsdienstlich behandelt – behandelt werde ich allerdings sehr schlecht – Schikaniererei wegen Pinkeln – man weiß nicht, wo das WC sein soll uä. Ohne Rechtsmittelbelehrung versucht man mich dazu zu bewegen zur Sache auszusagen (zu welcher?).

Ohne Erklärung, warum, werde ich noch ca. 2 Stunden festgehalten.

Gegen 11.30 kann ich dann endlich gehen.


Dokumentation zu den Staatsschutzaktionen gegen den linken Buchhandel , Frankfurt, September 1976, 29.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Bürgerrechte

Referenzen