Materialien 1976

Förmlicher Briefverkehrsformwechsel

Herrn
Hans-Wolfgang Gartmann
(Adresse)

Betreff: Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung u.a.

Sehr geehrter Herr Gartmann!

Der Herr Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat das gegen Sie geführte Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I abgegeben. Das Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hiermit wird angefragt, ob Sie sich mit der formlosen Einziehung der am 18.8.76 in Ihrer Wohnung sichergestellten Schriften (Flugblatt „RZ“ und „Revolutionärer Zorn, Mai 75“) einverstanden erklären. Sie wollen weiter erklären, ob Sie sich mit der formlosen Einziehung der im „Basis-Buchladen“ am 18.8.76 sichergestellten 53 Exemplare der Druckschrift „Revolutionärer Zorn, Mai 76“ einverstanden erklären, weil Sie insoweit als Mitgewahrsamsinhaber in Betracht kommen.

Sollte eine Einverständniserklärung mit der formlosen Einziehung nicht erteilt werden, muss die Einziehung der vorgenannten Druckschriften in einem objektiven Verfahren erfolgen, weil die Druckschriften einen solchen Inhalt haben, dass jede vorsätzliche Verbreitung in Kenntnis ihres Inhaltes den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde.

Sie wollen sich insoweit bis spätestens 10.1.77 schriftlich erklären.

Hochachtungsvoll
(Görlach)
Staatsanwalt als Gruppenleiter
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Staatsanwaltschaft beim LG München I
c/o StA-Gruppenleiter Görlach
Postfach
8 München 35

Betreff: Ihr objektives Verfahren

Vergelt’s Gott, Gruppenleiter!

Ihr Schreiben vom 21.12.76 ist mir heute mit Freuden unter dem Weihnachtsbaum in die Hände gefallen. Voll dankbarer Rührung erfahre ich somit von der Einschläferung Ihres Verdachts gegen mich, ich würde kriminelle Vereinigungen u.a. unterstützen, womit mein zwischenzeitlich doch manchmal etwas lädiertes Vertrauen in die bundesdeutsche Justiz endlich wieder voll hergestellt wurde. Denn schließlich bin ich schon seit Jahren in keinem Verein mehr Mitglied. Was Ihr sicherlich nett und freundlich gemeintes Angebot der formlosen Einziehung diverser Schriftstücke betrifft, die sowohl in meiner Wohnung als auch in der BASIS-Buchhandlung sichergestellt wurden, so muss ich es doch mit dem Ausdruck des Bedauerns ablehnen. Denn formlos mit Ihnen zu verkehren, ist nicht unbedingt das, was ich mir wünsche. Da bleibe ich doch lieber bei einem förmlichen Verhältnis zu Ihnen und erlaube mir daher, Ihnen im Namen der BASIS-Buchhandlung eine Rechnung über 53 Exemplare „Rev. Zorn, Mai 76“ (= DM 106.-) beizulegen.

Bei den bei mir sichergestellten Gegenständen (Flugblatt „RZ“ und „Rev. Zorn, Mai 75“) traue ich mich nicht, Ihnen ein ähnliches Angebot zu machen, da bei der Durchsuchungsaktion vom 18.8.76 in der BASIS-Buchhandlung Ihre Kollegen vom BKA die Ausgabe Mai 75 offensichtlich für so wertlos hielten, dass sie die beiden Nummern sorgfältig trennten und nur die Ausgabe vom Mai 76 mitnahmen, während sie uns die Nr. vom Mai 75 zum weiteren Verkauf daließen. Daher mag ich Ihnen dieses Exemplar sowie das Flugblatt nicht in Rechnung stellen, sondern bitte Sie um prompte Rücksendung, zumal ich diese Schriftstücke auch dringend benötige für meine Sammlung zeitgenössischer Dokumente zur Verfassungswirklichkeit der BRD (zu der ich natürlich auch Ihr Schreiben abgeheftet habe).

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Wolfgang Gartmann


Blatt. Stadtzeitung für München 85 vom 14. Januar 1977, 29.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Bürgerrechte

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