Materialien 1976

Sieg am Nikolaiplatz?

Die Aktion Nikolaiplatz hat am 17. Juli mit einem großen Fest ihren Sieg gefeiert
Ein Fest ist immer eine feine Sache und ein Siegesfest erst recht.

Doch es wird sich erst noch zeigen müssen, ob am Nikolai-Platz wirklich ein endgültiger Sieg errungen worden ist. Tatsache ist, dass Kronawitter und die SPD-Mehrheit im 2. Anlauf nur deshalb dafür gestimmt haben, das Seidl-Grundstück um 8½ Millionen zu kaufen, weil sie Angst vor dem Bürgerprotest bekommen hatten, der durch eine wirkungsvolle Pressekampagne unüberhörbar verstärkt worden war. (Die nächste Stadtratswahl kommt bestimmt.) Im Grunde hat die Stadt den Bürgerprotest mit 8 ½ Millionen weggekauft. Der von der Aktion Nikolaiplatz geforderte Musterprozess mit dem Ziel, das auf dem Grundstück liegende Baurecht entschädigungslos herabzusetzen, konnte von vornherein nicht geführt werden, da die Stadtverwaltung den Grundeigentümern bereits Zusagen für die Bebauung gemacht hatte.

Ein Konzept für eine sinnvolle Nutzung der Seidl-Villa und des Grundstücks hat die Stadt bisher nicht, und die in der Aktion Nikolaiplatz aktiven Bürger und der Bezirksausschuss werden sehr aufpassen müssen, dass hier die sozialen Belange der Schwabinger Bevölkerung berücksichtigt werden. Die Aktion wird deshalb ihre Arbeit nach ihrem Sieg auch nicht einstellen, sondern weiter für die Verwirklichung eines sinnvollen Konzeptes arbeiten. Ziel: ein Bürgerhaus mit Versammlungs- u. Mehrzweckräumen (Musik, Theater), Altenbetreuung, Stadteilbüro für Bürgerinitiativen etc.

Die Aktion Nikolaiplatz hat ihre Arbeit von Anfang an auch langfristig und stadtteilübergreifend gesehen, als Beitrag zur Schaffung politischen Bewusstseins z.B. gegen das unsoziale Bodenrecht, und zur Verwirklichung einer sozialen Stadtentwicklungsplanung für ganz München, z.B. gegen die rein an Wirtschaftsinteressen orientierte Politik von Stadtbaurat Zech. Der Fall Nikolaiplatz ist nicht nur ein Schulbeispiel für (zumindest vorläufig) erfolgreichen Bürgerprotest, er ist auch ein Schulbeispiel für das Versagen der Parteien. Die SPD orientierte sich bei ihren Entscheidungen allein an ihren Machtbedürfnissen und nicht an den Interessen der Bürger. Die CSU hat in Schwabing durch den Vorsitzenden ihrer Bezirksausschussfraktion, Müller, der zugleich Leiter des „Bürgerkomitees Schwabing“ ist, in kommunalpolitischen Fragen eine gute Position. Doch weder im Fall Nikolaiplatz noch bei der drohenden Bebauung der Münchner Freiheit war von diesem „Bürgerkomitee“ etwas zu sehen. Die Bürger mussten sich selbst organisieren und ihre Belange selbst vertreten.

Aufgrund dieser Erfahrungen lehnt die Aktion Nikolaiplatz auch die verantwortliche Mitarbeit von Parteifunktionären ab, da das nur zu Loyalitätskonflikten führt.

Aufgrund des Grundsatzes der Selbstorganisation der Betroffenen hat die Aktion Nikolaiplatz es auch abgelehnt bei der Münchner Freiheit die Initiative zu ergreifen. Sie arbeitet aber mit der BIMF1 zusammen.

Die Aktion ist auch bereit, allen, die woanders eine Bürgerinitiative gründen wollen, ihre Erfahrungen zur Verfügung zu stellen.

Adresse: Ulf Peters, Nikolaiplatz 3, 8 M 40, Tel: 348347/395 258


Blatt Stadtzeitung für München 75 vom 30. Juli 1976, 17.

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1 = Bürgerinitiative Münchner Freiheit.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Stadtviertel

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