Materialien 1976

Wie Mieter aus Haidhausen vertrieben werden

Gravelottestraße

Ärger- und Beschwerden über den Hausbesitzer Georg Hegenauer von der Gravelottestraße 1a und 3 reißen nicht ab. Und bald wird es soweit sein: Mit drastischen Mieterhöhungen, unverschämten Briefen, Prozessdrohungen, Baulärm, Heizungssperren hat der „Prozess-Schorsch“ Hegenauer (wir berichteten darüber) nun fast alle Mieter der beiden Häuser im Franzosenviertel vertrieben. Alle alten Bewohner des Hauses Gravelottestraße 3 haben mittlerweile schon gekündigt. Die meisten sind schon fortgezogen.

Angefangen hat es im November 1975. In einem Rundschreiben kündigte der Hausbesitzer an, dass er demnächst „modernisieren“ wolle. Er möchte eine Zentralheizung einbauen lassen. Die staatlichen Subventionen seien gerade so günstig.

Gegen den Einbau hatte kaum ein Mieter etwas. Wohl aber gegen die Aussicht, zukünftig erheblich mehr Miete bezahlen zu müssen.

„Sie erhalten einen erheblichen Komfort und ist es selbstverständlich, dass sich dies in der Miete niederschlägt“, meinte er.

Für „mittlere Wohnungen“ stellte er einen Quadratmeterpreis von 7,50 DM (!) in Aussicht. Natürlich sei dies nur vorläufig, und außerdem käme dann noch eine Heizungs- und Warmwasserpauschale von 60 bis 80 DM hinzu.

Dagegen stemmten sich die Mieter natürlich. Das Maß war voll, als Hegenauer noch dazu 9 Tage vor Weihnachten anfangen wollte zu bauen. Sofort ging der „Prozess-Schorsch“ Hegenauer vor Gericht. Er stellte Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen seine Mieter, um sofort mit dem Einbau anfangen zu können. Doch der Richter musste den Mietern recht geben. Die Bauerlaubnis war aber schließlich doch nicht zu verhindern. Und noch am Tag der Urteilsverkündigung ging es an: Baulärm, Heizungssperren, Warmwassersperren. Auch am Samstag, sogar an vielen Sonntagen hörten die Mieter, wie mit dem Meißel Wände aufgeschlagen wurden.

Vor dem Einbau hat der Hausbesitzer versprochen, dass die Wand- und Deckenlöcher sofort wieder zugemacht werden. Ein Mieter: „Ich kann mich schon seit Monaten mit meinen unteren Nachbarn unterhalten, wenn ich auf dem Klo sitze“. Besonders betroffen ist eine Familie, die ein kleines Kind hat. Weil das Kind immer nervöser wurde, musste die Mutter oft tagsüber mit ihm weggehen. Auch sie wollen demnächst raus. Die Mieter wollen jetzt auf einer Mietminderung bestehen. Davon will der Hausbesitzer aber nichts hören. Einigen Mietern hat er schon wieder angedroht, „aufs Gericht“ zu gehen.

Auch fallen ihm alle möglichen Kleinigkeiten ein, um Kautionen nicht mehr zurückzahlen zu müssen.

Trotz des guten Zusammenhalts, der früher unter den Hausbewohnern war, ist vielen Mietern nun die dauernde ungute Atmosphäre und vor allem die zu erwartende Mieterhöhung einfach zu viel geworden. Sie ziehen woanders hin. Obwohl sie gern in Haidhausen gewohnt haben, und viele eine Menge Geld in ihre Wohnungen investiert haben. Auf diese rücksichtslose Weise wird unser Viertel kaputtgemacht. Welche Familie, welcher normalverdienende Mensch kann 7,50 DM für den Quadratmeter bezahlen?
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Hegenauer noch einmal

Georg Hegenauer wollte die Haidhauser Nachrichten gerichtlich „bei Meidung eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zwingen, nicht mehr über die Vorfälle in der Gravelottestraße zu berichten. Er verlor diesen Prozess. Die Richter waren der Ansicht, dass unser Artikel (HN Nr. 4) keineswegs überzogen, sondern in seinem sachlichen Kern „im wesentlichen zutreffend sei“. „Hinzu kommt, dass die Haidhauser Nachrichten als Zeitung für den Münchner Osten ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Diskussion derartiger „Mietprobleme“ im Verbreitungsbereich ihrer Zeitung zu Recht annehmen …“, heißt es weiter.


Haidhauser Nachrichte 8 vom Juli 1976, 1 ff.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Stadtviertel

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