Flusslandschaft 1960

Gewerkschaften/Arbeitswelt

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»Schaut sie an, die Gewerkschaftsbonzen, wie sie sich am Starnberger See hochherrschaftliche Villen hinknallen.« So der vielstimmige Chor bei Touristen, die von ihren Guides über die Hinter-
gründe im Unklaren gelassen werden. Tatsächlich war die 1922/23 errichtete herrschaftliche Villa das Domizil des Erlanger Generaldirektors und späteren Geheimen Kommerzienrats Dr. Zitzmann. Nach 1945 verpachtete er das Anwesen an den Bayerischen Jugendring, 1953 gelang es ihm, »sei-
nen heruntergekommenen Besitz an die bayrische gewerkschaftseigene Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft gegen die Zusicherung des lebenslangen Wohnrechts für 290.000 DM zu verkaufen. Das Geld wurde den Gewerkschaften im Rahmen eines Programms zur Rückerstat-
tung der 1933 konfiszierten gewerkschaftlichen Vermögen zugesprochen.«2

„Haben unsere Vorkämpfer der Gewerkschaftsbewegung im jahrzehntelangen Ringen um die Rechte der Arbeiterschaft deshalb Gut und Blut geopfert, damit wir heute wieder der Willkür profitgieriger Arbeitgeber ausgesetzt sein sollen? Wer ist der treibende Keil für die Neuregelung der Krankenversicherung? Niemand anders als die Vereinigung der Arbeitgeber, denen Blank-Claussen Vorspanndienste leisten! 45 Millionen Pflichtversicherte werden es in Teufels Namen doch zustande bringen, daß sie durch ihre geballte Kraft, durch ihre Wucht und ihren Einsatz ein solches Schanddiktat der Bundesregierung zu Fall bringen. Der DGB ist die Organisation, die vom Kabinett Adenauer nicht an die Wand gedrückt werden kann. Das unheilvolle Experiment der Blank-Claussen & Co. muß vereitelt werden. — J. Dolischal, München“3

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Am 12. und 13. Mai findet die Bundeshandwerkskonferenz der Industriegewerkschaft Metall in München statt. Hier werden folgende Forderungen aufgestellt:
- Wirkliche Demokratisierung der Selbstverwaltungseinrichtungen im Handwerk durch paritäti-
sche Mitbestimmung.
- Erhöhung der Löhne und Gehälter, Verkürzung der Arbeitszeit und Verlängerung des Jahresur-
laubs.
- Ein fortschrittliches Jugendarbeitsschutzgesetz.
- Bundeseinheitliches Berufsausbildungsgesetz, das die Beschränkung der Lehrausbildung auf den tatsächlichen Nachwuchsbedarf des Handwerks vorsieht.
- Die Innungen sollen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet werden.
- Tarifliche Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen für Lehrlinge.5


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Mitte des Jahres erscheint das Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften. Zum Glück hat der Einband neben der Vorder- auch eine Rückseite.

(zuletzt geändert am 29.6.2024)


1 werden. Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften, Köln 1960, nach 179.

2 Claudia Brunner/Günther Gerstenberg, Vom herrschaftlichen Landhaus zur Gewerschaftsschule. Die DGB-Bundesschule Niederpöcking, Niederpöcking 1985, 71.

3 Metall 7 vom 6. April 1969, 12.

4 werden. Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften, Köln 1961, 54/55. Siehe die Fotos vom „ersten mai“ von Franz Ostermeier.

5 Metall 9 vom 18. Mai 1960, 6.

6 werden. Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften, Köln 1960, Einbandvorder- und -rückseite.