Materialien 1977

FDGO

Wie das fortwährende Sich-Einsetzen für die sich – aus welchen dunklen Gründen auch immer – „freiheitlich demokratisch“ nennende Grund- und Besitzordnung aussehen könnte, berichtet „die tat“ Nr. 7, 1978. Auf dem Boden dieser „Freiheit“ hat der Denunziant die größte: er darf unbehelligt „links“ oder so spielen, am besten als agent provocateur. Man kennt das. Was für Freiheitsräume hier doch offen stehen! Marianne Weiß, ehemaliges Mitglied der bayerischen Landesschülerver-
tretung, zitierte auf einer Vollversammlung des Münchner Kreisjugendrings die verfassungstreue Bemerkung eines Werbers für Verfassungsschmutzdienste: „Übrigens könnten Sie dann ja auch ihrer politischen Aktivität freien Lauf lassen. Das würde in diesem Fall natürlich nicht gegen Sie verwendet werden.“ A weng verfassungsfeindliche Aktivitäten können S’ entfalten, a bisserl wühln und hetzn, wenn S’ nur die andern mitreißen, so hört man den Verfassungsschutzgärtner, der ein Bock ist, mauscheln. Der freie Lauf der FdGO ist ein tückisches Gewässer.

Marianne Weiß war heikel, geradezu unanständig, und verweigerte die Spitzeltätigkeit, eines der ältesten und ehrenhaftesten Gewerbe der Welt der Herrschenden. Statt in einem Freiraum für die freiheitlich demokratische unsoweiter zu werkeln, blieb sie unanständig, renitent, diesen Aspekten der FdGO fernstehend. Die bittere Unehrenhaftigkeitserklärung folgte, durch CSU-Stadtrat Stützle, schon auf der gleichen Veranstaltung: Sie habe ihren Mangel an Verfassungstreue schon durch die Ablehnung des Verfassungsschmutz-Angebots bewiesen. Das ist stark, aber auch aufschlussreich und zeugt von stringenter Logik.

Voll Neid blicken die umliegenden Völker auf die BRD und freuen sich, wie intensiv hier die Ver-
fassungstreue verankert sein muss, und wie unangenehm hier Leute auffallen, die nicht in speziel-
ler Art – als menschliche Wanze – für die ganze, wenn auch 60 mal geänderte Verfassung eintre-
ten. Sollte Herr Stützle nicht schon als Denunziant Großes geleistet haben, könnte er als der Mann in die Geschichte der Berufsverbote eingehen, der ein überaus praktikables Auswahlverfahren er-
funden hat: „Wollen Sie auf unsere Art aktiv für die FdGO eintreten? Ja / Nein“

Die ewigen Neinsager sind eh erledigt, bei den Jasagern tritt das normale Anhörungsverfahren in seine angestammten Rechte. Man überreiche Herrn Stützle den Großen Schwarz-Braunen Spitzel-Verdienst-Orden, oder irgendeine andere Anerkennung dafür, dass sein Typus auf dem Boden der FdGO das vollkommene, anerkannte, ethisch saubere Modell des Freiheitsverteidigers ist. Aber da es schon langt, dass bei jeder Versammlung halbwegs anständiger Menschen zur Korrektur auto-
matisch Verfassungsschützer und ihre miesen Handlanger vorhanden sind, würde ich Spielverder-
ber es auf jeden Fall ablehnen, einer identifizierbaren Figur wie diesem Stützle des Spitzelwesens zu begegnen. Und: Was ist das für ein trauriger Staat, der solche Stützle braucht, damit er auf der brüchigen Grundlage seiner FdGO nicht ins Wanken kommt?

Heinz Jacobi


Der Bote Nr. 8. Der Martin-Greif-Bote. Die politisch-literarische Zeitschrift aus der Martin-Greif-Straße, München 1978, 110 f.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: Bürgerrechte

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