Materialien 1977

Die Kumimaiermär

Es war einmal, dass Kultusminister Maier seine denkwürdigen Verdauungsspaziergänge immer durch den Englischen Garten machte. Und jedes Mal, wenn er am Monopteros vorbeikam, ärgerte er sich über die vielen, vielen untätigen Studenten, die dort in der Sonne lagen und ihre Joints durchzogen. Da dachte er ein wenig nach und hurtig fiel ihm das bayerische Hochschulgesetz ein, das dann auch als Vorlage für das Hochschulrahmengesetz herhalten musste. Seither ist kein einziger Student mehr am Monopteros.

Aber auch das ärgerte unseren Kulturträger, denn ohne in der Sonne liegende Menschen ist der Monopteros eben keine Attraktion mehr für die vielen Touristen. Aber unsere sozial-liberale Bundesregierung schafft auch hier schnell Abhilfe. Ganz schnell wird der Numerus Clausus eingeführt und für den zweiten Bildungsweg die Zwei-Prozent-Klausel, nach der nur mehr ganz wenige von den Fachhochschulen auf die Uni kommen. Seit dieser listigen Hochschulreform sind wieder ’ne Menge Leute am Monopteros zu sehen. Abgesprungene Studenten, arbeitslose Lehrer, Lehrlinge ohne Ausbildungsplatz und zwangsexmatrikulierte Kommilitonen.

Aber der Schein trügt. Bei den Leuten, die da rumsitzen, sind auch welche, die sich was zu der Gängelung und Schikane des Staatsapparates überlegen. Denn der Fachidiot entspricht nicht dem studentischen Interesse und dem einer menschlichen Gesellschaft, sondern allein dem Ausbeutungsinteresse der Großindustrie. Auf der einen Seite stehen die Fachhochschulstudenten, die eine gute Ausbildung und ein einigermaßen abgesichertes Studium wollen, auf der anderen Seite das KuMi mit der Industrie im Rücken. Die servieren ein Hochschulrahmengesetz , das sich in allen wesentlichen Punkten gegen unsere Interessen wendet und bieten zugleich eine Zukunft an mit Arbeitsplätzen, die nicht unserer Qualifikation entsprechen, oder gar keine Arbeitsplätze.

Mit der schärfste Angriff läuft in der drastischen Einschränkung des zweiten Bildungsweges. Hat man noch vor einigen Jahren die Illusion verbreitet, dass jedes Arbeiterkind Professor werden könne, so stellen wir heute fest, dass mit der Einschränkung des 2. Bildungsweges, beispielsweise durch die Regelung, nur noch ein bis zwei Prozent der Ingenieur-Studenten von der Fachhochschule an die Uni überwechseln dürfen und durch völlig unzureichende Ausbildungsförderung die Bildung immer mehr zum Privileg für Kinder reicher Eltern wird.

Aufgrund dieser Situation wurde am 23. Mai 1977 von der Vollversammlung der Fachhochschüler München ein einwöchiger Streik beschlossen, der unter nachfolgenden Forderungen stand:

* Für den Erhalt von AStA und Fachschaften – gesetzliche Wiederverankerung der Vereinigten Studentenschaften mit politischem imperativem Mandat bei Satzungs- und Beitragshoheit.
* Weg mit dem Bayrischen Hochschulgesetz (BHG) und Hochschulrahmengesetz (HRG).
* Kein Abbau des 2. Bildungsweges. – Keine Schließung der anderen Hochschulen für Fachhochschüler.
* Für kostendeckendes BAFöG.
* Weg mit dem Numeros Clausus. Für Ausbau der Hochschulen. Weg mit dem industriellen NC in den Praxissemestern.
* Gegen unwissenschaftliche Kurzstudiengänge.
* Ersatzlose Streichung des Ordnungsrechts. Schluss mit der Schnüffelpraxis. Weg mit den Berufsverboten.
* Für freie politische Betätigung in Ausbildung und Beruf.
* Für bessere Ausbildung durch bessere Lehrmittel.

Auf der Schlusskundgebung der Demo am 26. Mai 1977 meinte Martin vom FH-AStA:

„Ich glaube sagen zu können, ohne damit Resignation verbreiten zu müssen, dass auch mit den Aktionen in diesem Semester das HRG nicht vom Tisch fällt. Aber dennoch sind diese Aktionen für uns von größter Bedeutung, denn sie sind für uns dasselbe, als wenn sich ein Boxer in seiner Ecke erfrischt um in der nächsten Runde den K.O.-Schlag ansetzen zu können. 300.000 solcher Boxer bereiten sich in diesem Semester an den HS in der BRD vor. Sie streiken, sie demonstrieren und führen Veranstaltungen durch, damit im nächsten Semester 800.000 Studenten zuschlagen können. Ich darf nämlich bekannt geben, dass der Dachverband aller Studentenschaften in der BRD für das kommende Wintersemester schon heute daran geht, einen bundesweiten Generalstreik an allen Hochschulen vorzubereiten. Es gibt dazu sogar schon Vollversammlungsbeschlüsse von einigen Hochschulen, die den Abbruch des Wintersemesters vorschlagen, um damit endlich Entscheidungen in unserem Interesse erzwingen zu können. Unsere Gegner, und das sind die Kultusstrategen und ihre finanzkräftigen Freunde aus den Chefetagen der Großkonzerne, haben völlig recht, wenn sie behaupten, dass die Studenten von einer winzigen Minderheit radikalisiert werden. Aber diese Minderheit ist nicht in den Reihen der Studenten zu suchen, sondern diese aufhetzende Minderheit sind unsere Kulturstrategen selbst."

Von der Vollversammlung der Stiftungsfachhochschule dagegen wurde ein Streik abgelehnt, weil viele der Meinung waren, man könne mit Dozenten und Hochschulleitung gemeinsam während einer Aktionswoche gegen das HRG vorgehen.

Aber es sollte ganz anders kommen. Der geplante Film über den Bulleneinsatz an der Uni München konnte nicht gezeigt werden, weil die Hochschulleitung für alle Veranstaltungen ein Raumverbot erteilte. Der Versuch, diesen Film trotzdem zu zeigen und dafür einen Raum zu besetzen, wurde vom Vize-Präsidenten mit dem Ruf nach der Polizei beantwortet, und weil die nicht gleich kam, schaltete er mal vorsichtshalber den Strom ab. Darauf versuchten die Studenten der Stiftungsfachhochschule auf einer „Informationsveranstaltung“ der Hochschulleitung den Präsidenten zur Rede zu stellen. Dies endete damit, dass der Vize dem Landes-ASten-Sekretär das Rederecht verweigerte und ihm Hausverbot erteilte. Irgendwie steht jetzt noch zu befürchten, dass auf Grund dieser Geschichte die Hochschulleitung versucht den einzigen verfassten AStA in München abzusäbeln. Dagegen brauchen wir eine breite Front der Solidarität.


Blatt – Stadtzeitung für München 95 vom 3. Juni 1977, 10.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: StudentInnen

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