Materialien 1978
Isartalbahnhof
Wiare glesn hob,
wia dea Isartalbahnhof
umfunktioniat wern soll,
warma sofort oisklar:
Do woins zum Beispui
a Druckarei macha – Druckarei -
Füa wia damisch hoitn denn de Fabrikla
unsa sehr verehrte
Stadtratsmehrheitsfraktion -
do kummt doch a Flugbladlwerkstod eine
und sunst nix – jawoi, Flugbladl machas!!
Und dann: Mediothek! Mediothek!
Dea Nama sagt doch scho ois, weila am
Normalbürga nix sagt. Do werst doch glei stutzig, oda?
Und wenne nochdeng, nachad kemma do hächstns
so Videofilme dro, dassma de oidn Häusa neet
obreissn sollt – ja sollma denn wieda af an
Kriag hiabatn, dass dees oide Graffl zammghaut werd?
Do sigst doch glei, wos so Fabrikla im Hirn hom;
„Handelndes Lernen“ songs und d Handlanga von dee,
dee – i traumas goa net song, soweit binne scho.
Ja, und a Teestubn soi aa in de Fabrik nei;
a Teestubn. Wia wenn de Jugendlichn heizudog
an Tee saffa dadn; Haschisch rauchas!! Und,
sowas woaß doch unsa sehr verehrte
Stadtratsmehrheitstraktion.
An Werkraum woins aa nei hom in den Bahnhof;
kenme aus: nackade Weiba werns töpfan und
mei Tochta sollt ament Modell steh.
As Kreiz haue dera ob, wenns do higeht.
Oba as Schlimmste is dees Foyer. Information,
Aktion. Aktion! Fettnäpf werns histain,
damid unsa sehr verehrter OB einetatscht.
…
No wos foidma ei: Wenn dea ganze Bahnhof scho unta
Denkmoischutz steht, nachad solltma aa a Tradition hilassn:
Am Samsdog oiwei a Fahnawei midam Veteranenverein;
do hodma nix dagegn.
An Schofkopf füa de Bürga von Thalkirchn ob dreißig Jahr;
da hodma nix dagegn.
Und unsan sehr verehrtn Stadtrat Loichinger kaffma afm
Trödlmarkt a Holzpferdl, von woa de oidn Kamardn oba
dirigian kann – dees waar was und
do hodma nix dagegn.
Und übahaupts: Was füa Jugenliche macha is eh a
Schmarrn, weil in a paar Jahr sans dann so oid wia i
und vastenga eh bloß mehr Bahnhof.
Nachdrog zua Vaanstaltung vom 14.11.1978:
Wia oid derfa oda müassn Jugendliche eigentlich sei?
Am 14.11.1978 ware zwar net da Aidaste, oba recht vui
Jüngare warn eigentlich aa net do. Komisch!1
Helmut Eckl
Blatt. Stadtzeitung für München 134 vom 24. November 1978, 4.
:::
1 Wie ich gelesen habe, / wie der Isartalbahnhof / umfunktioniert werden soll, / war mir sofort alles klar. // Da wollen sie zum Beispiel / eine Druckerei aufziehen – Druckerei! / Für wie bescheuert halten denn die Angehörigen der Gruppe “Münchner Fabrik” / unsere sehr verehrte / Stadtratsmehrheitsfraktion – / da kommt doch eine Werkstatt für die Herstellung von Flugblättern hinein / und sonst nichts – jawohl, Flugblätter fabritzieren sie!! // Und dann: Mediothek! Mediothek! / Der Name sagt doch schon alles, weil er dem / Normalbürger gar nichts sagt. Da wirst du doch gleich nachdenklich, oder? / Und wenn ich nachdenke, dann werden dort höchstens / solche Videofilme gezeigt, dass man die alten Häuser nicht / abreissen sollte – ja soll man denn wieder auf einen / Krieg hinarbeiten, dass das alte Gelumpe vernichtet wird? // Da siehst du doch gleich, was die Angehörigen der Gruppe “Münchner Fabrik” im Gehirn haben; / “Handelndes Lernen” sagen sie und die Handlanger von denen / die – ich traue mich gar nicht, es zu sagen, so weit bin ich schon. // Ja, und dann soll auch noch eine Teestube in der Fabrik eingerichtet werden; / eine Teestube. Als ob die Jugendlichen heutzutage / einen Tee trinken würden; Haschisch rauchen sie!! Und, / so etwas weiß doch unsere sehr verehrte / Stadtratsmehrheitsfraktion. // Einen Werkraum wollen sie auch in den Bahnhof hinein haben; / da weiß ich Bescheid: unbekleidete Frauen werden sie töpfern und / am Ende soll meine Tochter noch Modell stehen. / Die bekommt Prügel, wenn sie dort hin geht. // Das Schlimmste aber ist das Foyer. Information, / Aktion. Aktion! Fettnäpfe werden sie hinstellen, / damit unser sehr verehrter Oberbürgermeister hinein tritt. // … // Noch etwas fällt mir da ein: Wenn der ganze Bahnhof schon unter / Denkmalschutz steht, dann sollte auch die Tradition dort einziehen: // Am Samstag immer eine Fahnenweihe mit dem Veteranenverein; / da hat man nichts dagegen. / Eine Schafkopfrunde für die Bürger von Thalkirchen, die über dreißig Jahre alt sind; / da hat man nichts dagegen. / Und unserem sehr verehrten Stadtrat Loichinger kaufen wir auf dem / Trödelmarkt ein Holzpferdchen, von dem herunter er die alten Kameraden / dirigieren kann – das wäre etwas und / da hat man nichts dagegen. // Und überhaupt: Für Jugendliche etwas auf die Beine stellen ist sowieso / ein Unsinn, weil sie in ein paar Jahren dann so alt wie ich bin / und sie dann sowieso nur noch Bahnhof verstehen. // Nachtrag zur Veranstaltung vom 14.11.1978: / Wie alt dürfen oder müssen Jugendliche eigentlich sein? / Am 14.11.1978 war ich zwar nicht der Älteste, aber recht viel / Jüngere waren eigentlich auch nicht anwesend. Seltsam!