Materialien 1978
Nr. 115
Zu „… und streichelte unter anderem …", Blatt Nr. 115
Dazu kommen mir einige Assoziationen aus den sog. revolutionären Tagen von 1968.
Spätestens nach den Verhaftungen bei Springer war klar gewesen, dass man sich exponieren würde, ebenso wie sich schnell während der Kommune-Aktivität herauskristallisierte, dass der politische Kampf auch auf die Sexualität bezogen geführt werden würde.
So plädierten wir für die Abschaffung der Ehe und ließen uns scheiden, für die Auflösung der traditionellen Familienstruktur , und ließen die Kinder in der Kommune aufwachsen, analysierten den Gebärzwang des eigenen Geschlechts und kämpften für die homosexuelle Liebe.
Mit den Gegenangriffen von außen hatten wir gerechnet, mit denen von innen nicht.
Dass man in meiner Familie zur Fürsorge ging und mich anzeigte, die Kinder meiner Schwester – aus der Asozialität haschischgeschwängerten Kommunemilieus heraus – an den Geschlechtsteilen berührt zu haben, war eine logische Folge und Reaktion des Zusammenhangs, aus dem ich ausgebrochen war.
Als aber in einem der wenigen neu entstandenen Kindergärten sich ein Kind angeblich von einem unserer Kommunekinder mit Liebe verfolgt gefühlt hatte und die Analyse ergab, dies sei auf meinen homosexuellen Einfluss zurückzuführen, verwirrte mich dies ziemlich, umsomehr, als selbst die Mutter unseres Kindes dies als Argument bereitwillig annahm. Gänzlich unverständlich wurde es allerdings, als ein linker Vater seine 13jährige ausgerissene Tochter nachts mit der Polizei aus der Frauenkommune holte.
Was war da aufgebrochen, dass Linke gegen Linke mit der Polizei vorgehen mussten? In dieser Zeit war Wilhelm Reich unsere Orientierung in Bezug auf den sexuellen Kampf. Dass er innerhalb unserer Kreise mit dem Argument abgelehnt wurde, er sei verrückt geworden, gab mir zu denken. Dass Wilhelm Reich selbst die Homosexualität massiv abgelehnt hatte, war mir damals allerdings noch nicht bewusst geworden.
Scheinbar kommen Entwicklungen, die mit der Sexualität in direkterem Zusammenhang stehen, langsamer als alles andere in Bewegung. Inzwischen habe ich gelernt, dass links sein nicht gleichbedeutend ist mit Wahrheit, sondern nur das Gegenteil von rechts bedeutet. Was im dialektischen Gesamtzusammenhang nicht mehr heißt als ein eindimensionaler Umschlag des einen in das andere. Dass aber revolutionärer Kampf Mehrdimensionalität in Praxis und Theorie erfordert, Aktivität über lange Zeiträume hinweg und nicht kurzgeschlossenen Aktionismus, und vor allem Mut des Einzelnen zur Wahrheit!
Solidarität mit Peter Schult!
Adelheid R. Opfermann
Blatt. Stadtzeitung für München 116 vom 10. März 1978, 46.