Materialien 1978

Erich Kiesl. Hier spricht der OB

Noch vor dem Einzug der Schwarzen ins Rathaus eröffnete im Herbst 1977 der CSU-Abgeordnete und Stadtrat G. Müller im Bayernkurier eine Kampagne gegen die Münchner Freizeitheime: „Kinder und Jugendliche in Freizeitheimen; Rekruten des Terrors“. Fzh-Mitarbeiter wurden so zu „Sympathisanten der Terroristen“ erklärt. Jetzt nach der Machtübernahme der CSU sollen diese „Sumpfblüten“ aus den Fzh’s fliegen.

In Zukunft sollen die Heimleiter und Jugendbetreuer vom Verfassungsschutz auf ihre Grundge-
setztreue überprüft werden. Bisher entschied das jeweilige Fzh-Team und der Kreisjugendring eigenverantwortlich über die Neueinstellungen, gemäß den Richtlinien für Freizeitpädagogik.

Die CSU-Stadträte Loichinger, Podiuk und Zimmermann verlangen nun eine Änderung des Ver-
trags zwischen dem Kreisjugendring und der Stadt, erst dann wäre es möglich den KJR zu ver-
pflichten, die Bewerber schon beim Einstellungsgespräch auf ihre Treue zum GG zu befragen und die Anhörungsprotokolle der Stadt und dem Verfassungsschutz auszuhändigen. Hinter vorgehalte-
ner Hand wird dem Kreisjugendring damit gedroht, den derzeit auslaufenden Vertrag nicht mehr zu erneuern, falls auf die Änderungswünsche der CSU nicht eingegangen wird.

Eine weitere CSU-Änderung betrifft die bisherige Raumüberlassung der Fzh’s an andere Jugendor-
ganisationen, wie Falken, Jungdemokraten etc. Nach dem neuen Vertragsentwurf sollen nur mehr Jugendorganisationen in die Freizeitheime kommen, die Mitglied im Kreisjugendring sind. – Und das bestimmt letztlich das CSU-Kultusministerium. Das bedeutet, dass nicht genehme Jugendor-
ganisationen, wie z.B. die SDAJ oder der BDP/BDJ rausgeschmissen werden. Damit können auch Bürgerinitiativen, Mieterinitiativen, Frauengruppen, Nachbarschaftshilfe und so weiter erfasst werden.

Die Freizeitheim-Leute wehren sich entschieden gegen Kiesls Maulkorb und Gängelpolitik. Am 5. Juli protestierten sie gemeinsam mit anderen Jugendorganisationen auf einer Demo vor dem schwarzen Rathaus.

In einer Zeit in der Jugendarbeitslosigkeit zunimmt, in der Schulen immer mehr zu Ausleseinsti-
tuten werden, soll die Jugend nun auch noch in ihrer Freizeit diszipliniert werden. Statt der Ju-
gend zu helfen, sich gegen diese Lage zu wehren, wird jetzt die Erziehung zu Kritiklosigkeit und Duckmäusertum verstärkt. Diese Angriffe sind nur ein kleiner Teil des gesamten Angriffs auf unsere Lebensrechte – z.B. Einschränkung des Demonstrationsrechts und Streikrechts, Legalisie-
rung des Todesschusses u.a.

Andererseits versuchen Neonazis gerade jetzt unter den Jugendlichen aktiv zu werden und auch in Freizeitheimen Fuß zu fassen.

Es besteht ein deutlich erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Abbau der Grundrechte und dem verstärkten Auftreten der ärgsten Feinde der Freiheit.

Am 21. Juli soll im Freizeitheim Sendling um 19 h eine Festveranstaltung sein, die den Charakter haben soll, darüber aufzuklären, dass der verschärfte Angriff auf die Münchner Freizeitheime ein Problem ist, das die ganze Jugend betrifft.

Geplant ist für die Veranstaltung folgendes: Dia-Ton-Schau/Sketch, vorgetragen von Jugendlichen des SSZ Neuperlach/Liedermacher/Diskothek als Abschluss.


Blatt. Stadtzeitung für München 125 vom 21. Juli 1978, 7.

Überraschung

Jahr: 1978
Bereich: Jugend

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