Materialien 1978

Haus verkauft - Mieter verhökert

Wie im vergangen Jahr schon mehrfach berichtet, hatten Spekulanten das Haus Johannisplatz 6 gekauft und versucht, die Mieter auf die Schnelle herauszudrängen. Als das misslang, wurde das Haus wieder zum Verkauf angeboten. Interessenten waren vor allem jene Gruppen von Kaufgemeinschaften, die seit der Ausdehnung des Steuerbefreiungsparagraphen 7b auf Altbauwohnungen wie die Pilze aus dem Boden schießen. Sie setzen sich in der Regel aus gut verdienenden Mittelstandsjungbürgern zusammen, wie Beamte, Rechtsanwälte, Ärzte … Das Haus wird zwar gemeinsam gekauft, die Wohnungen aber getrennt nach Einzeleigentümer ins Grundbuch eingetragen.

Die 1nteressenten versuchten, die Mieter, teils mit häufigen Wohnungsbesuchen, teils mit psychologischem Geschick zum Auszug zu bewegen. Einer, nach eigenen Aussagen Juso, verstieg sich zu dem Satz: „Raus aus dem Haus müssen Sie doch so und so. Aber wenn Sie jetzt ausziehen, dann ermöglichen Sie uns, daß wir das Haus kaufen, und verhindern, dass ein Spekulant daran verdient.“

Gekauft wurde das Haus im Herbst 1977 von einer Kaufgemeinschaft, deren Sprecher einem Mieter, angesprochen darauf, dass die wenigstens freiwillig räumen würden, erklärte: Wir haben Zeit!

Als erstes erhöhten die neuen Eigentümer die Mieten um bis zu vierzig Prozent (zu der traurigen Rolle, die der Mieterverein dabei gespielt hat, siehe weiter unten), und bald waren sie auch schon im Besitz von zwei der sechs Wohnungen.

Als den Mietern vor zwei Monaten per Rundschreiben angekündigt wurde, dass für diesen Sommer der Einbau neuer Fenster und einer Zentralheizung und die vorbereitenden Arbeiten für die spätere Installation von Badezimmern geplant seien, was zu einer nochmaligen Mieterhöhung von ca. fünfunddreißig Prozent führen würde, als gleichzeitig in einer der schon „eroberten“ Wohnungen und im Speicher ganz massive Umbauten wie das Entfernen von Zimmerwänden begannen, wodurch in einer anderen Wohnung Wände Risse bekamen und Türen klemmten, setzten sich die Mieter mal wieder zusammen, um geeignete Gegenmaßnahmen zu beraten. Heraus kam, daß sie die Lokalbaukommission informierten und in einem gemeinsamen Brief an die Wohnungseigentümer die Zustimmung zu den Umbauten verweigerten.

Leider erwies sich dabei der zu Rate gezogene Mieterverein, bei dem fast alle Mieter Mitglieder sind, kaum als Ermutigung, geschweige denn als Hilfe: Dass man als – Mieter wohl solche Modernisierungen, dulden müsse, hieß es da, ohne sich im geringsten für die pikante Variation zu interessieren, dass nach erfolgter Modernisierung die Mieter wegen Eigenbedarf der Vermieter rausgeschmissen werden sollen.

„Und bitt’ schön“, sagte der Syndikus des Vereins noch zum Abschluss der „Beratung“: „antworten Sie den Vermietern besser selbst, denn wenn wir ein Schreiben aufsetzen, kommt nur unnötige Schärfe in diese Problematik!“ – „Das scheinen die immer so zu machen“, schimpfte ein Mieter. „Groß den Mund aufreißen, solange es allgemein bleibt, aber wenn’s brenzlig wird, dann ziehen sie den Schwanz ein und lassen einen doch mit seinen Problemen allein, genauso wie bei der letzten Mieterhöhung.“

Da hatte der Mieterverein auf Bitten eines Mieters zwar einen Brief geschrieben, dabei aber dem Vermieter ein Angebot gemacht, das noch über die im Mietpreisspiegel der Stadt gesetzten Eckwerte hinausging – allerdings, zur Ehre des Mietervereins seis gesagt, noch unter der Forderung des Vermieters lag.

Diesmal jedenfalls wollen es die Mieter nicht auf „Interessenvertreter“ ankommen lassen, notfalls wollen sie sogar eine Klage vor Gericht durchstehen.

Letzte Meldung: Am 21. Juli erhielten alle Mieter ein Rundschreiben, in dem sie mit einer einstweiligen Anordnung bedroht werden, falls sie die Handwerker nicht in ihre Wohnungen lassen.


Haidhauser Nachrichten 8 vom August 1978, 4.

Überraschung

Jahr: 1978
Bereich: Stadtviertel

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