Materialien 1979
„Merkur-Frieden“
Der Münchner Merkur hat einen forschen Leitartikler. Hans Tross, stellvertretender Chefredakteur, schrieb am 27. Juni 1979: „… müsste es Ziel des Westens sein, die Ölfelder zu besetzen.“ Mit dieser unverblümten Aufforderung zu einem Angriffskrieg hat sich Tross in den Augen der Öffentlichkeit dequalifiziert.
Daß sich ein Münchner Arbeitsgericht mit dem Tross-Artikel beschäftigte, hat folgenden Hintergrund: Einer der Merkur-Redakteure, Georg von Wedemeyer, wollte in einer Anfrage an die Verlagsleitung wissen, „ob die Verlagsleitung den Kommentar von Hans Tross … mit der Grundhaltung des Münchner Merkurs für vereinbar hält.“ Die Grundhaltung des Merkurs ist nämlich schriftlich niedergelegt und Inhalt des Arbeitsvertrages jedes Redakteurs. Dort heißt es: „Er (der Münchner Merkur) tritt für Frieden und Völkerverständigung ein“. Die Antwort auf die Anfrage des Redakteurs fiel nach Art des Hauses aus: Wenn es ihm nicht mehr passe, könne er ja gehen.
Wedemeyer war mit dieser Auskunft nicht zufrieden, sondern berief sich auf den Paragraphen 15 des Manteltarifvertrages für Redakteure, in dem es heißt: „Ändert der Verleger die grundsätzliche Haltung seiner Zeitung, so ist der Redakteur, dem unter den veränderten Verhältnissen die Fortsetzung seiner Tätigkeit billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann, berechtigt seine Tätigkeit binnen einem Monat … aufzugeben. Der Redakteur behält aber den Anspruch auf Fortzahlung der vertraglichen Bezüge … für mindestens sechs Monate.“ Die Verlagsleitung reagierte sofort auf Wedemeyers Ankündigung, er werde gemäß Paragraph 15 die Arbeit niederlegen: Dem Redakteur flatterte die fristlose Kündigung ins Haus.
Wedemeyer klagte dagegen, die IG Druck und Papier hatte ihm Rechtsschutz gewährt. Das Ergebnis der Verhandlung vor einem Münchner Arbeitsgericht: Wedemeyer hat sich zurecht auf den Manteltarifvertrag berufen, der Verlag muss das Gehalt für sechs Monate weiterzahlen. Eine glatte Ohrfeige für den Münchner Merkur.
HOW
wir. Information für Betriebsräte, Personalräte, Vertrauensleute, Jugendvertreter, hg. vom DGB-Kreis München 1/1980, 8.