Materialien 1979

Eine Zensur findet doch statt ...

z.B. am Erasmus-Grasser-Gymnasium

Also bei uns an der Schule, am Erasmus-Grasser-Gymnasium (EEG) in Laim, gibts jetzt seit 2½ Jahren eine Schülerzeitung: Die ‚Nummer’. In diesen 2½ Jahren sind wir acht mal erschienen und haben eine ziemlich einmalige Bilanz aufzuweisen:

Drei Ausgaben wurden zensiert, ein mal wurde unsere Zeitung total verboten.

Zur Zensur unserer letzten Ausgabe: Wie üblich, haben wir die Druckvorlagen unserer Zeitung unserem Direktor (der Typ heißt Dr. Freilinger) übergeben, damit er sie begutachtet. Das müssen wir machen, weil laut allgemeiner Schulordnung unser Direktor das Recht hat, den Vertrieb der Schülerzeitung von ‚Bedingungen abhängig zu machen’.

Und die Bedingungen unseres Direktors sahen diesmal so aus: Drei Artikel dürfen nicht gedruckt werden. Der erste Artikel ist eine Beschreibung der konfliktgeladenen Situation, in der sich unsere Schülerzeitung befindet. Er darf nicht gedruckt werden, weil er zu einer ‚gewaltsamen oder wie auch immer’ Veränderung der Gesellschaft aufrufen würde.

Der zweite verbotene Artikel ist eine Schilderung, wie es dazu kam, dass unsere vorige Ausgabe verboten wurde.

Begründung für die Zensur dieses Artikels: Der Artikel sei eine persönliche Beleidigung unseres Direktors (der die letzte Ausgabe unserer Schülerzeitung verboten hat) und außerdem würde der Artikel Unwahrheiten enthalten. Welche Unwahrheiten dies sind, hat uns unser Direktor nicht gesagt.

Der dritte verbotene Artikel schildert die persönliche Reaktion, die Gedanken und Gefühle von einem, der gerade von dem Massenselbstmord der Jim-Jones-Sekte im Urwald von Guyana erfahren hat.

Dieser Artikel ist, so behauptet unser Direktor, einfach ‚unerträglich’, weshalb er verboten werden musste. Aber nicht genug damit, dass der Abdruck der drei Artikel verboten wurde.

Nachdem uns unser Anstaltsleiter erklärt hatte, dass er ja der Herausgeber der Schülerzeitung sei, verbot er uns auch die drei Artikel einzuschwärzen (Zitat: ‚Ich drucke keine schwarzen Seiten.’). Es wurde uns auch verboten, die Seiten einfach weiß zu lassen, wenn wir die Artikel herausnehmen würden. Und über einen Hinweis in der Zeitung, dass drei Artikel nicht abgedruckt werden konnten, darüber ließe sich reden.

Wir haben dann nicht mehr mit ihm geredet, sondern die Zeitung UNZENSIERT vor der Schule verkauft, wo uns unser Direktor nichts mehr dreinreden kann.

erich


Blatt. Stadtzeitung für München 149 vom 29. Juni 1979, 5.

Überraschung

Jahr: 1979
Bereich: Zensur

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