Materialien 1980
Kirchliches Eigentum - Sozialfunktion oder Profit?
Kaum ein Papst lässt es sich entgehen, wenigstens einmal während seines Pontifikats eindringlich auf die kirchliche Soziallehre hinzuweisen, insbesondere auf die „Soziale Funktion und Verpflichtung des Eigentums“. Auch in Predigten anderer kirchlicher Funktions- und Würdenträger wird gerne auf die lange Tradition kirchlicher Sozial-Verlautbarungen hingewiesen, Ketteler oder Leo XIII zitiert und möglichst unpräzise und floskelhaft gefordert und gemahnt. Auf Einzelheiten lässt man sich dabei besser nicht ein, denn nichts fürchten unsere Geistlichen mehr als den Vorwurf, „links“ zu sein, und schließlich käme man vielleicht mit Unternehmern oder der CDU/CSU in Schwierigkeiten, oder es käme jemand auf die Idee, dass die Kirche ja selbst Eigentum besitzt, das laut Leo samt Nachfolgern „zum Nutzen der anderen zu gebrauchen“ hätte. Doch dem sei Gott und mit ihm das Kirchenrecht vor. Und so beruft man sich lieber auf dieses als auf Sozialenzykliken und die Bibel, wenn es um Kirchenbesitz geht.
So auch Kardinal Ratzinger in seinen unlängst erlassenen „Richtlinien zur Verwaltung ortskirchlichen Grundvermögens“. Diese beginnen folgendermaßen: „Kirchliches Vermögen ist eine der Grundlagen für die Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Wesentlicher Bestandteil dieses Vermögens ist der Grundbesitz. Diesen ungeschmälert zu erhalten und einen angemessenen Ertrag daraus zu sichern, ist die Aufgabe kirchlicher Vermögensverwaltung.“ Der „angemessene Ertrag“ kann z.B. durch geschickte „Veräußerung“ oder durch Tauschgeschäfte erzielt werden, wobei „das angebotene Tauschgrundstück auf Dauer wirtschaftlich mindestens genau so gut nutzbar sein (muss) wie das abzugebende.“ Soll kirchliches Kapital angelegt werden, so empfiehlt Ratzinger in erster Linie Immobilienfonds sowie den Kauf von Grundstücken, „auf denen vermietbare Objekte errichtet werden können oder schon errichtet sind“. Kommt vielleicht hierbei die Sozialfunktion des Eigentums zum Tragen? Etwa, indem die Kirche billige Wohnungen zur Verfügung stellt oder sich um familiengerechte Wohnanlagen kümmert? Weit gefehlt! Auch betreffs Lebensqualität, Familienpolitik, Bevölkerungsabnahme etc. bleibts bei schönen Sprüchen wie „… muss die Familie als der Raum unserer Zukunft unsere oberste Sorge sein“ (Silvesterpredigt Ratzinger 1978), die Ausführung der schönen Forderungen, das Raumbeschaffen für die Familie überlässt man anderen. Die Richtlinien jedenfalls kennen bei Mietobjekten keinen sozialen Bezug, es geht nur um Gewinne: „… bedarf es eingehender wirtschaftlicher, markt- und sachkundiger Betrachtung“. Und legte früher die Kirche noch große Teile ihres Vermögens in Waldgrundstücken an, so ist ihr das heute nicht mehr lukrativ genug: „… sollte man eine Wiederanlage in Wald hauptsächlich nur dann erwägen, wenn Waldgrundstücke unter besonders günstigen Bedingungen angeboten werden, eine wirtschaftlich interessante Größe und Lage haben oder zur Abrundung vorhandenen Besitzes bzw. zu einer besseren Bewirtschaftung desselben führen. In jedem Fall muss der Holzbestand durch einen Sachverständigen vor Erwerb begutachtet und geschätzt werden.“ Kein Wort davon, dass es auch andere Gründe gibt, sich um den Wald zu kümmern … Hauptaugenmerk ist der Profit.
Für ihre karitativen Aufgaben verwendet die Kirche lieber Mittel aus der öffentlichen Hand, aber nicht nur dafür. So wurde kirchlicherseits gefordert, dass die Staatsorgane die beim Papstbesuch anfallenden Kosten, die bekanntlich etliche Millionen DM ausmachten, finanziell mittragen. Den Protest der Humanistischen Union an einer solchen finanziellen Beteiligung des Staates am Papstspektakel bezeichnete der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion Gustl Lang – wie der Altöttinger Liebfrauenbote berichtete – als „höchst einfältig, ja dummdreist“. Die Kirche selbst kann in Geldfragen keineswegs als dumm, dafür umso mehr als dreist bezeichnet werden. Und dass sie einfältig sein sollte, das steht zwar im Evangelium; aber daran braucht sich die Kirche ja nicht zu halten, das überlässt sie Ihren Gläubigen.
Johannes Glötzner
Mitteilungen der Humanistischen Union 4 vom Dezember 1980, 87.