Materialien 1981

Scheiß-Netzwerk-München

Irgendwie muss ich es mir von der Seele schreiben, wie beschissen ich z.Z. die Sache mit dem Netzwerk finde.

Hat es doch so gut, bzw. mit so viel Elan, nach langem Hin und Her angefangen, ist es jetzt, nach kurzem Hin und Zurück, schon wieder fast am Ende?

Sind es die „Alternativen“ in München, sind es die Netzwerk-Leute, sind es, ums ganz ganz pauschal zu sagen, die Verhältnisse hier? Beim Netzwerk gibts anscheinend, außer dem allgemeinen Bedürfnis nach Verhetzung, d.h., warten, bis die Münchner Alternativspinne ihr Netz geknüpft hat, nur das Warten aufs Christkind, auf den Messias, der natürlich nicht (wie sollte er auch!) Bhagwan heißt, aber erlösen könnte er uns schon von der Qual, die sogenannten Netzwerkkriterien oder was immer auch noch mit Inhalt und Tat zu füllen. Also abwarten, bis sich die Alternativen selbst aktivieren, selbst vernetzen, ggf. kann man/frau ja sonst mal einen Brief schreiben. – Erfolgsquote 1 : 1.000, das weiß mittlerweile jeder – !

Beschäftigt ist mensch natürlich mit allerlei Bürokram, vernetzen ist klar mit Büroarbeit verbunden. Also dann doch … Büroarbeit vielleicht auch als Selbstzweck – wer weiß, wer weiß??

Aber nun mal ehrlich: Wer hat vom Netzwerk München schon mal was gehört, außer ist zufällig ((???))1 selbst Mitglied hier in München?

Ich freunde mich gerade mit der These an, dass es vielleicht doch besser oder gar wichtiger ist, lange Statements zur innerorganisatorischen Frage, ob nun eine überregionale Zeitung – von Leuten, die genügend Geld und Aktive haben … gemacht werden soll ((darf!!)) oder ob da nicht schon wieder der Zentralismus von hinten durch die Brust aus Berlin eingeführt wird ((Berlin macht sowieso einen Rundbrief und ist offen für Beiträge aller Netzwerke. Die Idee, eine taz-Beilage zu machen, kommt aus München. Von uns wird ein Thesenpapier erwartet, mit dem sich alle Netzwerke auseinandersetzen wollen. A.)). D.h., ob es vielleicht wirklich besser ist, überregionale Zeitungen ((Rundbriefe)) von regionalen Netzwerken (ggf. München) ((nee)) herauszugeben, die sich gerade selbst über Wasser halten können. Das ist ein Thema, zu dem es sich lohnt, viele Hunderte von Kilometern zu fahren und Benzingeld zu vergeuden! (Bundesweites NW-Treffen). ((das letzte Bundestreffen war in Nürnberg u.m.E. sehr ergiebig.)) Vielleicht ist den mittlerweile sehr gebildeten Netzwerklern in unsagbarer Weise gelungen, Erfahrungen in kurzer und intensiver Diskussion, beim abendlichen Bier, zu bekommen und ein ausgedehnter Erfahrungsaustausch über sogenannte „Wachstumsprobleme“ einzelner Netzwerke ist nicht erforderlich. Es kann ja sein, dass mensch sich vielleicht beim nächsten Bundestreffen über das Packeis in Grönland unterhält, sicher ein wichtiger Punkt bei der Vernetzung der Eiskristalle! ((oder über Fragen, die alle angehen.))

Und gleich der nächste Rundschlag zur Innenpolitik des Netzwerks: Ja wo sind wir denn hier eigent1ich, dass wir uns einbilden können, eine Ausnahme zu sein, in der Stadt, wo es wahrscheinlich ebensoviele „Alternative“ gibt wie in Berlin, bloß eben anders?

Wo es u.a. natürlich auch alternative Projekte gibt, die aber über die 5-Personen-Hürde nicht hinauskommen, oder/und so in der Psycho-Scheiße stecken, daß sie nur an der Drehgeschwindigkeit ihres (Scheiße-) Mixers was ändern können, ansonsten unfähig sind auf andere Gruppen zuzugehen.

Und da bildet sich ein Netzwerk München ein, dass nach einem Jahr „Vordiskussion“ und nunmehr einem Vierteljahr Vereinsleben ((5 Monate)) sich diesem Psycho-Freizeit-Alternativsog entziehen zu können. Hat die Gruppe nicht mal konsequent die 1. Hürde, das einjährige Abtasten, Anquatschen der eigenen Phantasien geschafft – das persönliche Kennenlernen der eigenen Utopien, Spinnereien – Schwächen des anderen, das ja wohl, und da wird mir mittlerweile jeder zustimmen, ortsübliche Voraussetzung ist, dass überhaupt was läuft (längerfristig meine ich)!

Nein, wir vom Netzwerk sind eine Großorganisation! Die es, Dank göttlicher Eingebung nicht nötig hat, sich einem eigenen organisationsinternen Wachstumsprozess zu unterziehen. Wir machen das alles im Schnellwaschgang!!

Angefangen mit ca. 10 – 15 wackeren, (eigentlich erstaunlich viel!) die da begeistert waren, wurde nach abgebrochener inhaltlicher Diskussion der ‚Verein’ gegründet. Was ja nichts schlimmes ist[ Aber gleich darauf gingen die Arbeitsgruppen los. (und ich Depp war da auch noch begeistert dabei).

Das ging in der ersten Zeit auch wunderbar, haben wir uns doch von der Gründungseuphorie genährt.

Tja, dann kam die Sommerpause, sie kam schleichend, aber sie kam und mit ihr der Frust. Frust, denn offiziell gab es keine Sommerpause. Und meine Sublimierungskunst schafft es leider nicht, über 3 Monate als quasi kleine Gruppe von Einzelkämpfern durchzuhalten.

Jetzt ist bei mir leider die Luft raus und ich sehe, außer dem allgemeinen Gesabbere nicht, wie es im Netzwerk München weitergehen soll. Scheiß-Netzwerk!

Willy

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1 Agnes, die diesen Text gesetzt hat, hat ihre Kommentare in Doppelklammern gleich eingefügt.


Schweinager. Netzwerk Rundbrief 2 vom Oktober 1981, 9 f.