Materialien 1981

Presseerklärung

BBU Stadtverband München, Die Grünen

Nach Auswertung aller erreichbaren Informationen und Augenzeugenberichte kommen wir zu folgendem Ergebnis: der Polizeieinsatz am 27. Februar 1981 auf dem Münchner Hauptbahnhof ist Teil einer bundesweiten massiven Kriminalisierungskampagne der Staatsgewalt. Die Teilnehmer an der Fahrt nach Wilster zur Demonstration gegen den geplanten Bau des Atomkraftwerkes Brokdorf sollten damit eingeschüchtert werden.

Bereits im Rahmen der vorbereitenden Organisationsarbeiten musste festgestellt werden, dass das Bayerische Innenministerium bei den Verantwortlichen der Deutschen Bundesbahn interveniert hatte, um eine Gruppenfahrt nach Wilster zu verhindern. Nur mit anwaltschaftlicher Hilfe gelang es schließlich doch, die Zusage der DBB für ca. hundert Platzreservierungen zu erhalten, wobei aus unerfindlichen Gründen die Reisegruppe auf zwei verschiedene Züge verteilt wurde, obwohl nach den Beförderungsbedingungen der DBB eine Reisegruppe bis zu 140 Personen umfassen kann.

Am Freitagabend (27. Februar 1981) – zu diesem Zeitpunkt war das Demonstrationsverbot durch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in seinen wesentlichen Teilen aufgehoben – wurden die Teilnehmer an der Fahrt nach Wilster auf dem Münchener Hauptbahnhof von einem Polizeiaufgebot erwartet, das allein vom Umfang (mehr als fünfzig Beamte auf dem Bahnsteig und eine mindestens ebenso große Zahl auf dem Bahnhofsgelände) und Ausrüstung (Maschinenpistolen und Schäferhunde) her das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel grob missachtete. Die Mitglieder der Reisegruppe wurden von den Polizeibeamten durchsucht, ihre Personalausweise computermäßig überprüft und die Daten offenbar gespeichert. Ferner wurden ihre Personalien rechtswidrig in Listen notiert. Dies alles erfolgte unter der Bewachung von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizeibeamten. Es wurden keine Gegenstände beschlagnahmt.

Die Art und Durchführung des Polizeieinsatzes ist eine weitere Ausdehnung polizeistaatlicher Methoden. Solche Einsätze dienen dazu, Angst zu erzeugen, um die Bürger daran zu hindern, verfassungsmäßig garantierte Grundrechte wahrzunehmen.

Um möglichen Schwierigkeiten, beispielsweise bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, vorzubeugen, fordern wir die Vernichtung der Listen, bzw., falls die Daten bereits gespeichert sind, deren Löschung.

Anerkannte Wissenschaftler befürchten, dass der Ausbau der Atomenergie unweigerlich in den Atomstaat mit massivem Abbau der demokratischen Rechte des Einzelnen führt. Der Polizeieinsatz vom 27. Februar 1981 bestätigt die Berechtigung dieser Befürchtungen.

München, den 5. März 1981


Münchner Zeitung 8 vom 15. März 1981, 8.

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: Atomkraft