Materialien 1981
Karriere beim „Bund“?
Die jüngste Ausgabe der Schule & Wir1 wird in ihrem Hauptartikel darauf angesetzt, Rekruten für das Militär zu fangen.
In bunten Bildern werben sie „vom Feldwebel zum EDV-Fachmann,“ „vom … zum – durch das Militär!“ Breiten Raum nehmen ihre Schilderungen ein von steilen Karrieren wie der des „Herbert M.“:
„Ohne besonderen Ehrgeiz und ohne klares Berufsziel hatte er einst die Hauptschule mit dem einfachen Abschluss verlassen … Er war unzufrieden … Schließlich kam er „zum Bund. Dort fesselten ihn Lenkwaffen und Radaranlagen. Im Gespräch mit dem Berater des Berufsförderungsdienstes … hörte er von den Vorteilen, die sich dem bieten, der sich als ‚Soldat auf Zeit’ über den Grundwehrdienst hinaus verpflichtet: Mit dem Aufstieg zum Unteroffizier lässt sich ein Ausbildungsgang zum Funkmechaniker verbinden … Läuft alles nach Plan, so erwirbt Herbert mit 26 Jahren den Meisterbrief in seinem Elektroniktraumberuf.“ (aus S&W 1/81)
Doch sie wissen auch, dass dieser Karriere-Köder einen unangenehmen Beigeschmack hat.
Den Beigeschmack, in einer westdeutschen Armee zu arbeiten, die, im Schwur jedes Soldaten manifestiert, den Anspruch erhebt auf das ganze deutsche Volk. Was das heißt, hat das KuMi ja in den letzten beiden S&W deutlich zum Ausdruck gebracht. Die KMK-Konferenz mit dem Vorreiter KuMi Maier hat es bereits bestätigt: Die Grenzen von 1937 sollen als nicht historische in allen Schulatlanten der BRD eingezeichnet werden! Polnische Städte sollen deutsche Namen erhalten; das selbe machte der Hitlerfaschismus praktisch, als er 1939 in Polen einfiel!
Den Beigeschmack, etwa an einem Tornado zu arbeiten, dem Atombomber, den die Militärs „unsere Faust bis zum Ural“ nennen. Den Beigeschmack, den all diese Waffentechnik hat, wen werde ich damit zu welchem Zweck töten?!
Und genau diese Frage nach der Technik – für wen und was – versucht das KuMi zu vertuschen:
„In einer modernen Armee dominiert nicht der Waffendienst“, wollen sie uns vorgaukeln, sondern, so wollen sie neben einem Bild eines Trupps Soldaten in Kampfanzügen und Stahlhelmen, die an militärischem Gerät montieren, stattdessen weismachen: „Der Umgang mit technischem Gerät, mit Maschinen und Motoren überwiegt.“
Diese Soldaten, die einem anderen großformatigen Bild an dem Fahrgestell eines Flugzeuges „Wartungs- und Reparaturarbeiten“ verrichten, gleich, ob ein Postflugzeug Briefe nach Übersee fliegt, oder ein Bombenflugzeug Napalm gegen andere Völker – es ist technisches Gerät, an dem sie montieren, nicht Waffen, sondern technisches Gerät!
„Der Arbeitsplatz eines Soldaten unterscheidet sich heute oft kaum mehr von dem eines Technikers oder Ingenieurs in der freien Wirtschaft. Nicht nur die Geräte gleichen sich, sondern auch der Sachverstand.“
Ja, ein treffendes Wort haben sie da verwendet: Sachverstand statt Menschenverstand. Als Mensch kannst du denken, weißt du, wofür und gegen wen du arbeitest. Du weißt doch, für wen wir als Techniker in dieser „freien Wirtschaft“ arbeiten: Da sollen wir die Mordwerkzeuge herstellen, die für den Profit der Konzernherren eingesetzt werden in Chile, in der Türkei, in über 70 Ländern der Erde, zur Unterdrückung der Völker.
Der Menschenverstand sagt dir hier, dass es Unrecht ist, das widerspruchslos mitzumachen, der Menschenverstand drängt dich, dich dagegen aufzulehnen. Und es ist der von der S&W so propagierte Sachverstand, der das verhindert, der sagen will: Die Maschinen und Waffen bleiben für dich die gleichen, in welche Hände sie kommen, das ist nicht deine Sache, da bist nicht du dafür verantwortlich. Klar also, wozu diese Blindheit und Verantwortungslosigkeit in dieser „freien Wirtschaft“ dienen soll. Sie, die Herren der Konzerne brauchen sie, um für ihre schmutzigen Geschäfte die Handlanger zu finden.
Den gleichen Sachverstand wünscht sich die S&W von den Soldaten. Sie träumt: „Die Bundeswehr – ein Heer von Fachleuten“. Fachleute mit dem gleichen Sachverstand also, wie ihn die Waffenexport-Techniker haben.
Wie sehr sie damit ihre Absichten verraten, für was und für wen ist eine Armee gut, für die sie solche Fachleute brauchen, denen ganz egal ist, dass sie da für die „Faust bis zum Ural“ arbeiten, die für ihre eigene Karriere einfach vergessen wollen, wen denn die Bombe verstümmeln soll, die sie da konstruieren und bauen und warten und einsetzen?
In diesen Wochen schließt ein Jahr von uns mit dem Abitur seine Schullaufbahn ab. Numerus clausus, immense Jugendarbeitslosigkeit – wir wissen alle, dass die Aussichten alles andere als rosig sind. Für so manchen dürfte also der Ausweg durchaus verlockend sein, Karriere durch die Bundeswehr. So verlockend, dass sie um dieser Perspektive willen aufhören, über Sinn und Richtigkeit ihres Handelns nachzudenken?
ROTE SCHÜLERFRONT
V.i.S.d.P.: Michael Sailer, Tulbeckstraße 4, 8 München 2, E.i.S.
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1 Ein Periodikum des bayrischen Kultusministeriums.
Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.