Materialien 1981

„A so a Schmarrn!“ meint die Kollegin

Man muss sich das so vorstellen: 20 Frauen pro Schicht in einer Abteilung eines großen Münchner Druckereibetriebs sitzen an ihren Maschinen und Bildschirmen. Dabei werden sie „überwacht“ von einem Mann in verantwortlicher Position. Ähnlich sieht es auch in vielen anderen Betrieben aus, das Arrangement ist kennzeichnend für die Situation der Frau in unserer Gesellschaft. Wer schon einmal mit vielen Frauen zusammengearbeitet hat, der weiß, dass es da trotzdem fröhlich zugeht. Ein Wort gibt das andere, man überbietet sich mit Wortspielen, mit „Herausgeben“ und „Auf den Arm nehmen“, ohne dass jemand böse sein darf. Natürlich werden viele Witze erzählt. Nicht nur die harmlosen, sondern auch die ganz deftigen (die „Männerwitze“?)! Also: Sex in jeglicher Form ist auch Thema.

Was mich schon immer gewundert hat – warum können Frauen über Witze lachen, in denen sie „in die Pfanne gehauen“ werden? Sind es doch in dem Betrieb, um den es hier geht, alles gestande-
ne „Frauens“bilder, die sehr gut wissen, was ihre Arbeitskraft wert ist, die selbstbewusst bei der Arbeit mit den Männern mithalten können. Frauen, die auch Solidarität miteinander üben, zum Beispiel bei der Durchsetzung von gemeinsamen Interessen am Arbeitsplatz und als Gewerkschaf-
terinnen im Arbeitskampf.

Ich habe mal verschiedene typische Zeitschriften des Bauer-Konzerns mit in die Arbeit genommen, um zu sehen, ob und weshalb der „Männerwitz“ auch bei Frauen ankommt. „Humor“ ist in den einschlägigen Gazetten meist der Oberbegriff für die „Männerwitz“-Abteilung. Die einstimmige Reaktion aller am „Versuch“ beteiligten Kolleginnen: Lachen konnten sie so gut wie gar nicht, aber aufregen mochten sie sich über die meisten Witze auch nicht. Weil sie so mies gezeichnet und inhaltlich einfach zu dumm waren. Auf die Frage, warum solche Zeitschriften auch von Frauen viel gekauft werden, kam die Antwort: „Also bestimmt nicht wegen der Witze, da blättern wir drüber.“ Die müden und trotzdem brutalen Halbpornos auf den anderen Seiten der Zeitschrift betrachtend, fand ich ein „Nachbohren“ nötig. Die Antworten wurden differenzierter: „Ich lese die Sachen schon, aber für mich würde ich sie eigentlich nicht kaufen. Mein Mann mag die halt so gerne, drum bringe ich sie ihm mit.“

Eine Ausnahme bei meiner Miniumfrage war der „Rasier-Witz“. Da wurde gelacht. Endlich kam der Mann mal so vor, wie er auch am Arbeitsplatz öfter gesehen wird: „Der steht ziemlich im Freien.“ In diesem Falle mit seinen Potenzschwierigkeiten.

Sehr betroffen war eine ältere Kollegin von dem „Emma“-Witz, in dem sich die Frau beim Büchsenöffnen so dumm stellt: „Typisch – als ob nicht meistens die Männer zwei linke Hände haben; also, da hat mir noch nie ein Mann was vormachen können. A so a Schmarrn!“ Aber dann haben wir doch schallend gelacht, nicht weil der Witz komisch gewesen wäre, sondern weil er so blöd war – und haben, wie zwei Kichererbsen, überhaupt nicht mehr aufhören können.

Eine andere Kollegin, die sehr kritisch mit dem männlichen Geschlecht umspringt, aber viel für Witze übrig hat, meinte auf die Frage, warum sie auch über den einen oder anderen „Männerwitz“ lachen kann: „Ach weißt’, ich stell mir da immer die Leute in so einer Situation vor, und wenn das Bild stimmt, dann kann ich auch über einen Witz lachen, in dem Frauen als bescheuert oder als Sexobjekt dargestellt werden.“

Weil mich die Sache langsam immer mehr interessierte, fühlte ich mir ein paar der gängigen „Frauenzeitschriften“ zu Gemüte: so Dinger wie „Frau mit Herz“ oder „Das Goldene Blatt“. Auch da heißt es auf manchen Seiten „Es darf gelacht werden“, die Zeichnungen sind genauso einfallslos, der „Männerwitz“ triumphiert auch hier. Allerdings kommt er harmloser daher, die harten Sexsachen fallen weg, dafür kommt öfter der „Kindermund“ zum Zuge. Insgesamt sind in diesen „Frauenillustrierten“ die Witzecken spärlicher, der Zwang zu einer gewissen Auswahl bringt das wohl mit sich.

Eine weitere Probe aufs Exempel machte ich in ein paar Buchläden: „Ich suche ein Buch mit Witzen für Frauen. Wissen Sie, da gibt’s doch so Bücher mit Witzen fürs Bettkasterl und welche für den Autofahrer, den Hundefreund, den Arzt …“. Im ersten Laden langes ratloses Blättern im Katalog und schließlich ein abschlägiger Bescheid. Im nächsten Geschäft wurde mir die Studie von Karin Huffzky über den „Männerwitz“ angeboten. Aber ich wollte ja nichts Theoretisches, sondern was zum Lachen. In einem dritten Buchladen beriet mich ein Mann, der mir den Brétécher-Comic „Die Frustrierten“ ans Herz legte. Immerhin etwas von einer Zeichnerin, sehr lustig – aber wohl kaum ein Pendant zum gängigen gezeichneten „Männerwitz“.

Die Witze, die inzwischen – nach meiner „Enquete“ – in unserer Abteilung erzählt werden, sind immer noch die gleichen. Aber: seit wir darüber geredet haben, denkt die eine oder andere Kollegin über den Witz, den sie gerade erzählen will, mal nach und findet ihn plötzlich gar nicht mehr so lustig. Oder sie schaut mich vorwurfsvoll an und sagt: „Also Witze muss man einfach erzählen, man muss doch mit den Leuten in Kontakt kommen.“

Angela Antoni


tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 135 vom Juli 1981, 49.

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: Frauen

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