Materialien 1981

Stadtbesichtigung der Freizeit '81

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen gegen mögliche Mitglieder bzw. Sympathisanten einer Gruppe, die in letzter Zeit unter dem Namen Freizeit ’81 durch Zeitungen, Flugblätter, Demos und andere Aktionen von sich reden gemacht hat, sind sieben Leute am 16. Oktober bei Hausdurchsu-
chungen verhaftet worden: Da die Staatsanwaltschaft versucht, sie mit zwei Brandanschlägen in München in Verbindung zu bringen, sitzen sie zur Zeit immer noch in Untersuchungshaft.

Am Freitag, den 20. November, fand als eine Form des Protestes gegen diese Verhaftungen eine Demonstration statt, die trotz kurzfristiger Information vierhundert Leute auf die Beine brachte. Unser kurzer Bericht fängt erst mit Ende der Demo an, da die Münchner Zeitung erst um 19 Uhr angerufen wurde. Als um 20 Uhr die Demo am Odeonsplatz offiziell beendet war, ging es erst richtig los.

Gut zweihundert Leute zogen zum Marienplatz, flankiert von nur wenigen Polizisten in Uniform, dafür begleitet von mindestens fünfzig Beamten in Zivil. Die Kaufinger Straße war von einer Handvoll Beamter notdürftig abgeriegelt, alles junge Typen, in der Rechten die chemische Keule. Am Eingang zum Kaufhof gab es ein kleines Handgemenge, aus dem ein Demonstrant, verfolgt von einem Zivilen, hervorstürzte, beide quer über die Kaufinger Straße rasten und in einer Schaufen-
sterscheibe unter den Arkaden landeten, die auch prompt zu Bruch ging. Was diesem Vorfall vor-
ausging, konnte ich leider nicht beobachten. Der Demonstrant wurde dann von Dreien überwältigt. Die meisten schauten versteinert zu, wie er in einem Streifenwagen abtransportiert wurde. In sol-
chen Fällen sollte schneller reagiert werden. (Wie?)

Der Bahnhof wird „besetzt“.

Durchs Tal, die Sparkassestraße entlang, vorbei an der Oper, die auch von Beamten überwacht wurde, zurück zum Odeonsplatz, die Ludwigsstraße rauf, links nach Schwabing rein und auf Zick-Zack-Wegen zum Bahnhof-Haupteingang. Dieser war natürlich auch dicht. Zwei Leute, denen es trotzdem gelang, einzudringen, wurden nach heftigen Protesten und Nachdrängen der Menge ohne Personalienfeststellung (es geht also doch!) wieder rausgeschickt. Durch einen kleinen Umweg über das Untergeschoss gelangte mensch doch noch in den Bahnhof, tauchte im Rücken der ver-
dutzten Beamten auf, die die Eingangstüren versperrten, und lief dann weit auseinandergezogen quer durch den Hauptbahnhof zum Starnberger Bahnhof und dort wieder raus aus der Mausefalle.

Diese Aktion bewirkte, dass sämtliche Eingänge vom Bahnhof verschlossen wurden – ein bisschen spät, aber so schnell sind unsere Beamten halt auch wieder nicht. Der „Bahnhofs-Sturm“ krönte gegen 23 Uhr den spontanen Teil der Demo, die im Hinblick auf Gewaltfreiheit, Spontaneität und Spaß für die Beteiligten erfolgreich verlief.

Nur: In dem einen Fall konnte mangels Mut und schnellem Handeln eine Festnahme nicht verhin-
dert werden, und letztendlich sind die sieben immer noch im Knast.

Angelus


Münchner Zeitung 17, Dezember 81/Januar 1982, 3.