Materialien 1981

Widerstand lohnt sich!

Staatsmacht & Ohnmacht macht Hemmbürger

Westend-„Sanierung“ – Widerstand lohnt sich – Erst waren es nur die türkischen Mieter, die gegen die Profit-Modernisierung der Häuser Bergmannstraße 23 und 26 aufbegehrten. Ab 1. Juni 1980 sollten sie für – noch dazu sehr schlampig durchgeführte – Modernisierungsmaßnahmen um 100 bis 200 Prozent höhere Mieten bezahlen. Für die meisten ist das unerschwinglich.

Die türkischen Mieter stellten auf der Bürgerversammlung am 15. Juni 1980 einen Antrag gegen die Mieterhöhung. Dieser Antrag wurde nicht nur mit großer Mehrheit angenommen (denn der Schuh drückt mittlerweile viele Schwanthalerhöher), sondern Bürgermeister Dr. Zehetmeier ver-
sprach, sich sofort und persönlich darum zu kümmern. Für diese „soziale“ Geste bekam er viel Beifall. 2½ Monate später kam ein nichtssagender Brief von ihm: Leider sei nichts zu machen.

Die Mieter – unterstützt vom Türkischen Arbeiterverein und einigen anderen engagierten Schwan-
thalerhöhern – hatten schon mit einem Info-Stand und einer Unterschriftenaktion gegen die Täuschungspolitik des CSU-Bürgermeisters protestiert (vgl. Münchner Zeitung Nov./Dez. 80).

Es wurden immer mehr

Als die Betriebsgesellschaft, Vertretung der Wohnungseigentümer dann im Oktober 1980 Ver-
handlungen vorschlug, machten sich die Mieter daran, das Vorgehen des Vermieters auf rechtliche Schwächen abzuklopfen. Sie wurden fündig. Termine und Benachrichtigungen waren nicht einge-
halten worden; Arbeiten waren entweder unvollständig oder gar nicht ausgeführt – aber trotzdem im Mieterhöhungs-Begehren aufgeführt worden usw.

Nachteilig für die Mieter war allerdings, dass sich fast alle dazu überrumpeln ließen, die Mietver-
träge mit den erhöhten Mieten zu unterschreiben. Zwar wussten die zumeist ausländischen Mieter gar nicht, was sie da taten. Doch nach herrschendem Recht sind sie trotzdem gebunden.

Seither geht das Sprichwort um: „Lieber Finger abbrechen als was unterschreiben“. Eine beherzigenswerte Regel!

Doch die gemeinsame Arbeit, die häufigen Versammlungen, die immer besser erhärteten Vorwürfe gegen die Immobiliengesellschaft führten dazu, dass zu dem „harten Kern“ der türkischen Bewoh-
ner fast alle deutschen, alle griechischen und jugoslawischen Mieter dazustießen.

… das machte Eindruck

Diese Solidarisierung machte den Vermieter kompromissbereit. Im März 1981 machte er nach mehreren Verhandlungen einen Vergleichsvorschlag:

> Rückzahlung der Kautionen (2 Monatsmieten),
> Aufschub der Mieterhöhung vom 1. Juni 1980 bis 1. März 1981 und
> der Erhöhung der Nebenkosten bis 1. Januar 1982,
> Niederschlagung aller Räumungsklagen und Übernahme aller Kosten,
> Behebung der baulichen Mängel bis zum 30. April 1981.

Nach Rücksprache mit rechtskundigen Freunden nahmen die meisten Mieter diesen Vergleich an. Ein Mieter kann die Erhöhung der Grundmieter weiter anfechten, da er klugerweise (aber leider als einziger) den neuen Mietvertrag nicht unterschrieben hatte. Das wird natürlich ein interes-
santer Präzedenzfall.

Ganz sicher entspricht dieser Vergleich bei weitem nicht unseren Vorstellungen von einem wirksamen Mieterschutz gegen Spekulations-„Sanierungen“.

Natürlich zeigt dieser Vergleich einerseits zwar einen Erfolg des Widerstands von Mietern;
doch zugleich auch sehr deutlich die Grenzen der Widerstandsmöglichkeiten angesichts der vermieterfreundlichen „Rechtssprechung“, der unzulänglichen Mieterschutzgesetze und der laschen Handhabung dieser Gesetze durch unsere ach so sozialen Bürgermeister und Stadträte.

„Unsere Volksvertreter“

Mehr als die lauwarmen Worte des Herrn Zehetmeier auf der Bürgerversammlung hat den Mietern der Bergmannstr. 23 und 26 ihr aktiver Widerstand allemal gebracht.

Wir wollen das – vorläufige – Ergebnis des Mieter-Widerstands gewiss nicht als großen Erfolg hochjubeln. Ein voller Erfolg konnte bei allem Einsatz und aller Solidarität der Mieter bei der gegebenen Rechtslage nicht erwartet werden.

Immerhin: Die Gegenwehr hatte doch mehr Erfolg als das Vertrauen in die Versprechungen der Herren Politiker.

Das scheint uns den richtigen Weg zu zeigen.

Hilde Keller / Peter Eberlen


Münchner Zeitung 9 vom 15. April 1981, 2.

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: Stadtviertel

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