Materialien 1982

Geblendeter Sheriff

„Negativ-ironischer Akzent“ – Streit um ein Photo
München

„Honor et iustitia“, stolz umrankt dieses große Wort die drei Versalien ZSD. Sie stegen für „Zivilen Sicherheitsdienst“. Auf der Rückseite des Münchner Telephonbuches wirbt mit diesem Zeichen Carl Wiedmeier für seinen Wachdienst, dessen Mitglieder im Volksmund die „schwarzen Sheriffs“ sind. Diese Sheriffs bewachen unter anderem das Münchner Olympiagelände, sorgen dort bei Rockkonzerten für Ordnung und säubern in städtischem Auftrag die U-Bahnhöfe von unliebsamem Gesindel.

Unter diesem „Gesindel“ befinden sich durchaus ehrbare Bürger. Sie werden von den Männern in Schwarz, mit dem Colt im tiefhängenden Holster, hie und da „versehentlich“ zusammen geschlagen. Dann gibt es Schlagzeilen, die am Image von „Honor et iustitia“ kratzen.

Doch bisher haben diverse Anfragen der SPD- und FDP-Fraktionen nichts genützt; die martialischen Schwarzen blieben in Amt und Würden. Nun aber fühlten sich die für „Ehre und Gerechtigkeit“ kämpfenden Sheriffs selbst in ihrer Ehre gekränkt. Die Münchner Photographin Angelika Jakob hat in einer Postkartenserie München so dargestellt, wie es ist: eine Weltstadt mit steinernem Herz.

Eine dieser Photographien aus der sogenannten „Regenschein-Serie“ zeigt einen schwarzen Sheriff, der, die Hände in die Hüften gestützt, ziemlich dummdreist ins Objektiv grinst. Das Gesicht ist mit einem Balken geblendet. Auf der Rückseite steht lapidar: Recht & Ordnung – München 1980. Obersheriff Carl Wiedmeier war, stellvertretend für seine Mannen, beleidigt und zog gegen die Verleger Schaschko und Freund vor Gericht.

Die Photographie sei „geeignet, den guten Ruf des Klägers zu gefährden“. Die dargestellte Person, so heißt es in der Klageschrift (AZ: 90 1773/82), solle beim Beobachter den Eindruck von Gewalttätigkeit und Brutalität hervorrufen. Darüber hinaus sei das „ZSD“-Schild deutlich zu erkennen.


Angelika Jakob, Law and order

Carl Wiedmeiers Anwalt ist in München ein bekannter Mann. Peter Gauweiler wurde vom konservativen Münchner Merkur als „erwachsen gewordenes Schoßkind der CSU“ gelobt, die Süddeutsche Zeitung“ billigte ihm zumindest zu, vor Ehrgeiz zu strotzen. Peter Gauweiler ist auch Stadtrat in München und zuständig für Sicherheitsfragen. Peter Gauweiler behauptet erst einmal, die abgebildete Person sei gar nicht beim Wachdienst angestellt. Schon allein deshalb sei die Ablichtung rechtlich anfechtbar. Doch dem ist nicht so. Der lächelnde Bulle in Schwarz war als Wachmann Nr. 122 vom 3. November 1980 bis 9. Januar 1981 bei Wiedmeiers Truppe beschäftigt. Ein weiterer Fehler des prominenten Jungpolitikers und Anwalts: Er bezeichnete den Balken vor den Augen des Wachmanns als ehrverletzend, weil in der Presse normalerweise nur Verbrecher „geblendet“ werden würden. Herr Gauweiler irrte. Bei Photos Festgenommener beispielsweise werden die Kripobeamten, nicht der Festgenommene, mit einem Balken unkenntlich gemacht.

Auf dem justitiabel gewordenen Photo haben Verleger Schaschko und Freund sogar die Nummer „122“ wegretuschieren lassen. Außerdem sei, so dessen Anwalt Jürgen Arnold, das Schild „ZSD“ bestenfalls mit der Lupe zu entziffern. Nun, die Gerichtsverhandlung vor der 9. Zivilkammer des .Landgerichts München I war schnell vorüber. Die Klage wurde abgewiesen. Abbildungen der Realität, so die Begründung, bleiben auch dann erlaubt, wenn die Bilder einen „negativ-ironischen Akzent“ enthalten. Nun marschieren Anwalt und Ordnungswächter in die zweite Instanz. Außerdem will Carl Wiedmeier den abgelichteten Wachmann auf Schadenersatz verklagen, schließlich hätte er „gegen die Dienstvorschriften“ verstoßen, weil er sich photographieren ließ. Anwalt Gauweiler ist über die Niederlage nicht besonders traurig. „Das Ganze war halt für unsere Seite nicht so günstig“. Hat er doch für den Reporter gleich eine weit erfreulichere Botschaft. Er hat einen Freispruch durchgebracht, einen für einen anderen schwarzen Sheriff, der wegen Falschaussage, Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung angeklagt war. „Aber über sowas schreibt ja die Presse nichts“. Aber gern, Maitre Gauweiler, hat doch wieder einmal „Ehre und Gerechtigkeit“ gesiegt.

Karl Forster


Die Zeit 20 vom 14. Mai 1982, 12.

Überraschung

Jahr: 1982
Bereich: Zensur

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