Materialien 1984
Internationaler Frauentag
Der Internationale Frauentag, der 8. März, ist für mich auch ein Stück meiner eigenen Geschichte. Es gibt in München seit 1973 in ununterbrochener Folge Veranstaltungen zum 8. März.
Die ununterbrochene Folge der Veranstaltungen zu betonen, ist deshalb so wichtig, weil es eine Zeit gab, wo wir innerhalb des DGB große Probleme mit dem Internationalen Frauentag hatten. Ich weiß nicht mehr genau, ob es 1983 oder 1984 war, als der DGB-Bundesvorstand schlicht untersagt hatte, am 8. März Veranstaltungen durchzuführen. Begründet wurde das mit der Sorge, die Veranstaltungen könnten politisch missbraucht werden. In einer Verlautbarung des DGB-Bundesvorstandes hieß es sogar, der Internationale Frauentag sei ein kommunistischer Agita-
tionstag. Es war auch die Zeit der Friedensbewegung, als es im DGB mal wieder kritisch wurde. Viele Hauptamtliche, die Friedensaufrufe unterschrieben hatten, den Krefelder Appell zum Bei-
spiel, sind massiv unter Druck geraten, bis hin zur Androhung der Kündigung.
Dann kam dieses bundesweite Verbot. Wir waren in München die einzigen, die eine Ausnahme-
regelung bekamen. Das finde ich heute noch spaßig. Wir hatten natürlich schon mit einem Verbot gerechnet. Deshalb hatten wir frühzeitig mit den Vorbereitungen begonnen, waren bereits mit Flugblättern an die Öffentlichkeit getreten und hatten sozusagen bereits Tatsachen geschaffen. Unsere Plakate waren kaum aufgehängt, da kam die Entscheidung des Bundesvorstandes. Verbot!
Es gab erst mal bundesweit einen Aufschrei. Das hat aber niemanden außer uns was gebracht, eben weil wir schon an die Öffentlichkeit gegangen waren. Wir bekamen auch Unterstützung von eini-
gen, die sonst nicht unbedingt auf unserer Seite standen. So erhielten wir eine „Ausnahmegeneh-
migung“. Und das war dann die größte 8. März-Veranstaltung, die wir vom DGB-Kreisfrauenaus-
schuss je auf die Beine gestellt hatten.
Die DGB-Bündnispolitik war damals sehr umstritten. Die immer wieder geäußerte Sorge, der DGB und mit ihm die Mitgliedsgewerkschaften könnten politisch missbraucht werden, musste aller-
dings häufig dafür herhalten, ganze Themenblöcke oder bestimmte Gruppen von der politischen Diskussion auszuschließen. Das galt für die Friedensbewegung ebenso wie für die „neue“ Frauen-
bewegung und die Ökologie-Bewegung – Themen, die heute selbstverständlicher Bestandteil der gewerkschaftlichen Arbeit sind. Für mich ist das auch ein Zeichen dafür, dass man einfach durch-
halten muss.
Aktion: Keine Frauen in die Bundeswehr
Es gab damals beim DGB auch die Aktion „Keine Frauen in die Bundeswehr“. Wir wollten vom Kreisfrauenausschuss des DGB eine Woche lang eine Stand-Aktion zu diesem Thema in der Fuß-
gängerzone machen. Wir hatten Plakate und Flugblätter dazu fertig, es war sehr arbeitsaufwendig. Und natürlich hatten wir vorher einen Beschluss des DGB-Kreisvorstandes eingeholt, ganz ord-
nungsgemäß. Die Standbesetzung für eine Woche war gewährleistet, was gar nicht so einfach war, schließlich waren wir alle erwerbstätig.
Als alles organisiert war und „stand“, sagte der damalige DGB-Kreisvorsitzende in letzter Sekunde die Aktion ab. Ihm war zu Ohren gekommen, dass bei der Aktion „Keine Frauen in die Bundes-
wehr“ wahrscheinlich auch Kommunistinnen mitmachten … Da setzte er den Beschluss des Kreis-
vorstandes schlicht kraft Amtes außer Kraft – rein satzungsrechtlich kann er das – und verbot die Aktion; um „…Schaden von der Organisation“ abzuwenden. Wir waren sauer und enttäuscht. Und wir sagten, jetzt erst recht! Wir konnten sehr kurzfristig erreichten, dass einzelne Gewerkschaften jeweils einen Tag übernommen haben. Es ging neben der politischen Verantwortung auch um Kostenfragen.
Ab Mittwoch standen wir in der Fußgängerzone. Wir hatten nicht mehr die ganze Woche, aber wenigstens drei volle Tage. Wir hatten großen Zulauf, weil sich das natürlich herumgesprochen hat wie ein Lauffeuer. Wir haben uns an den Beschluss unseres Kreisvorsitzenden gehalten: Es lief nicht unter „DGB“, sondern wir hatten jeden Tag ein anderes Emblem einer anderen Gewerkschaft auf dem großen Plakat. Wir hatten uns durchgesetzt und mit Hilfe der Ortsvorstände einzelner Gewerkschaften Fakten geschaffen.
Dagmar Fries
Ingelore Pilwousek (Hg.), Wir lassen uns nicht alles gefallen . 18 Münchner Gewerkschafterinnen erzählen aus ihrem Leben, München 1998, 62 ff.