Materialien 1984
Friede dem Hofgarten
Ein Vorschlag zur Bebauung
Vom Dianatempel kommend, die Heckenwand durchschreitend, liegt vor uns am Geländeabbruch, einige Stufen tiefer, auf ganzer Breite des Hofgartens ein rechteckiges Bassin. Dreiseitig mit wei-
dengeflochtener Uferbefestigung umgeben (Stadtweiher). An der Galerie- und Hofgartenstraßen-
seite ist der See durch eine hölzerne Pergola begrenzt, deren Straßenseiten nur ab und zu Durch-
gänge haben. Diese ist so hoch und so breit wie die Hofgartenarkaden, deren Ruinen miteinbezo-
gen sind. Auf der gegenüberliegenden Seite rechts von der Hauptruine ein grasbedachter Durch-
gang vom Mittleren Ring und Fußgängerbrücke direkt an den See und in den Hofgarten. Vor uns der hölzerne Steg, der vor dem Reiterstandbild endet.
Über die nur in der Mitte restaurierten Stufen erreichen wir den wiedergeöffneten mittleren Bogen der Halle des ehemaligen Armeemuseums. Über uns ebenfalls ein Grasvordach gegen eventuell he-
rabfallende Architekturteile.
Die Halle selbst ist so belassen, wie sie nach dem Krieg notdürftig repariert wurde. Jedoch stehen jetzt rundum Tafeln, auf denen die Anzahl der toten Zivil- und Militärpersonen (= aller Menschen) aus sämtlichen Jahrhunderten seit der geschichtlichen Erscheinung Bayerns als Staat bis zur Jetzt-
zeit verzeichnet sind. Einschließlich der Verwundeten, der Vermissten, der Seuchenopfer und der Vertriebenen. Wahrhaft eine Aufgabe für das Haus der Bayerischen Geschichte in statistischer wie gestalterischer Form. Eine stille, feuchte, eiska1te Halle – ein trauriger Ort des Fröstelns vor dem immer wiederkehrenden Wahnsinn.
Von der Maximilian- und Königinstraße kommend wäre nur verwunschenes Grün zu sehen, darü-
ber die unverputzten Fassaden mit ihrem erneut von Hand gepinselten „Nie wieder Krieg“. Die Be-
pflanzung der Pergolen. des Sees und der Ruine sollte sich selbst überlassen bleiben. Als verwilder-
ter Kontrast zum Hofgarten ein Paradies mit überwachsener Ruine. deren restaurierte monströse Gründerjahrekuppel sich zwischen den Seerosen spiegelt. Eine stille Oase, ein Platz der Besinnung mit einem Mahnmal der Vergänglichkeit.
Warum der See?
Hier war der Burggraben der „Neuen Veste“ und als Abschluss des Hofgartens bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ein See mit Steg und Pavillon in dem jetzigen Parterre. Der See musste Kasernen und einem Exerzierplatz weichen und diese wiederum dem Armeemuseum. Nun sollte alles Militä-
rische wieder dem See weichen.
Der Hofgarten muss von jeglicher Bebauung freigehalten werden. Und die Ruine Ruine bleiben, da sie in München als einzige noch an den Zweiten Weltkrieg erinnert.
Der Hofgarten darf nicht bebaut werden, um uns sogenannte Münchner Lösungen zu ersparen: Wie der Kulturhochbunker am Gasteig, wo Masse mit Architektur verwechselt wurde. Wie die Deutschordensburg Neue Pinakothek, wo viele Zitate Architektur sein wollen. Und klopft man an die Fassade, so klingt sie im wahrsten Sinne hohl. Oder wie der Kunstblock, wo teures Material die flache Architektur aufwerten soll.
Der Hofgarten darf nicht durch ein Gebäude verschandelt werden, das zur Obersten Baubehörde und zum Güterbahnhof von Athen (Haus der Deutschen Kunst) paßt. Es gibt in München schon genügend architektonische Kriegs- und Nachkriegsmonster.
Und die Staatskanzlei?
Falls sich im Bayerischen Landwirtschaftsministerium trotz Anbau das Raumprogramm nicht unterbringen lässt, böte sich die Lösung an, dass eine der in München ansässigen Großfirmen gegen einen symbolischen Kaufpreis ein genügend großes Grundstück in der Peripherie zur Ver-
fügung stellt. Der Autor favorisiert dabei MBB-Gelände in Ottobrunn.
Und der unbekannte Soldat?
Er sollte auf ein flaches Steinbett in die Feldherrnhalle. Dort sind Stufen zum Hinaufschreiten. Da ist Platz für viele Kränze und genügend Raum für Zeremoniell und Selbstdarstellung unserer alten und neuen Krieger. Der Unbekannte, immer unsinnig umsonst Gestorbene, wird in einem mit weiß-blauer Plakette geschützten Kulturgut liegend als einziger uns alle beim nächsten Mal überle-
ben.
Falk Bergner
Schwabing extra. Zeitung der Schwabinger Friedensinitiative 3/1985, 3.