Flusslandschaft 1962

Medien

Der Artikel „Bedingt abwehrbereit“ im Spiegel 41 vom 10. Oktober 1962 über die NATO-Übung „Fallex 62“ greift die Kritik am Verteidigungskonzept der Bundesregierung auf. Nach dem 26. Oktober werden Proteste für die Wahrung der Pressefreiheit anlässlich des Vorgehens von Re-
gierung und Behörden gegen das Blatt laut, das über die „bedingt abwehrbereite“ Bundeswehr berichtet hat.1

Rund 300 Studierende treffen sich am Freitag, 2. November, vor der Universität und ziehen in einem Protestzug zum Königsplatz. Auf ihren improvisierten Transparenten und Tafeln ist zu lesen: „Keine Spiegelfechtereien“, „Denkt an die Weltbühne. Sind wir wieder so weit?“, „Fällt die FDP wieder um?“, „Eine Zensur findet nicht statt! Grundgesetz Artikel 5/1/3“, „Grundrechte auch für Regierungsgegner“ und „Es geht nicht um den ‘Spiegel’, es geht um die Pressefreiheit“. Die Auf-
schrift „Ossietzki 1932 – Augstein 1962“ wird polizeilich verboten, von den Studierenden mit einem breiten schwarzen Pinsel durchgestrichen und ergänzt mit „Nicht genehm“. Die Tafel „Aug-
stein raus – Strauss rein“ wird ebenfalls polizeilich beanstandet, von den Studierenden durchge-
strichen und ergänzt „Zensiert – Nicht erlaubt“.

Eine Gruppe des liberalen Studentenbundes (LSD) organisiert am 12. und 13. November vor der Universität eine Petition für die Entlassung des Verteidigungsministers. Bis zum darauffolgenden Abend sammeln sie über 2.000 Unterschriften. Nachts verschaffen 1.500 Studenten ihren Forde-
rungen lautstark Gehör.2

Unbekannte überkleben am 14. November Wahlplakate der CSU mit Titelseiten des Spiegel.

Auf der Bühne des Münchener Schauspielhauses bekunden am 18. November 31 Schauspieler ihre Solidarität mit den Redakteuren des Spiegel. Sie wollen die Bevölkerung warnen und erinnern an die Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch den Nationalsozialismus.

Eine Gruppe von Demonstranten trifft sich am 23. November vor dem Löwenbräukeller und macht ihrem Ärger vor der anstehenden Landtagswahl mit Protestschildern Luft.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß hat großen Anteil an der Verhaftung des Spiegel-Redakteurs Conrad Ahlers in Spanien. Vor dem Bundestag bestreitet er seine Beteiligung. Nach-
dem sich herausstellt, dass er die Unwahrheit gesagt hat, muss er am 30. November demissionie-
ren.

Mit 5.000 Flugblättern fordern Studierende am 20. Februar 1964 den Rücktritt von Bundesinnen-
minister Höcherl (CSU) wegen seiner Haltung in der Spiegel-Affäre.

Siehe auch „Bürgerrechte“.


1 Vgl. Der Spiegel 45 vom 7. November 1962, 55 ff.

2 Siehe „i war’s net!“.

Überraschung

Jahr: 1962
Bereich: Medien

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