Materialien 1985

Ohne Polizei ...

…kein Krawall. Auf der Demo gegen Apartheid am 4. Oktober hatten wir das zweifelhafte Vergnügen, dieses Vorurteil wieder bestätigt zu sehen. Einige kräftige Herren (offenbar Zivis, Ausweis zeigen haben die ja bekanntlich nicht nötig) schleiften eine junge Frau über den halben Marienplatz, offenbar um sie festzunehmen. Kurz vor Erreichen der Polizeikette wurde die Gruppe von einigen Leuten umringt, die erstmal wissen wollten, was los ist, bevor sie irgendwen irgendwohin abschleppen lassen.

Die Zivis hatten es natürlich wieder nicht nötig, den Bürger über die Verwendung seiner Steuergelder zu informieren, wortlos drängten sie mit ihrer Gefangenen in Richtung Einsatzwagen. Die Leute drängten in die andere Richtung, das übliche Knäul entstand.

Ich (Name d. Red. bekannt) hob das am Boden liegendes Ende eines langen Transparents auf, dessen anderes Ende schon ein anderer in der Hand festhielt. Natürlich nur, um es vor dem Dreck zu schützen; dass es kurze Zeit in der Richtung gespannt war, in welche die Zivis mit ihrem Opfer wollten, war reiner Zufall. (Andernfalls wär’s auch nicht schlimm.)

Sofort drehte sich ein Typ vor mir um und identifizierte sich als Polizist in Zivil. Wie? Indem er erschreckend schnell auf mich losstürzte und paar mal ziemlich kräftig zuschlug. Mit sowas hatte ich echt nicht gerechnet. Konnte gerade noch zurückspringen und abwehren, weshalb er nicht getroffen hat, zu mehr war ich nicht fähig. Dann wandte er sich wieder der Gruppe zu, umklammerte von hinten das Gesicht von nem Spezl von mir und riss ihn zu Boden (dem aber außer zwei Schrammen auch nichts passierte). Kurz darauf erwischte er einen Punk so im Gesicht, dass diesem das Nasenbein brach. Natürlich waren auch andere Bullen aktiv, CS-Gas undsoweiter. Und ich stand total perplex daneben und bemerkte den Verlust meiner restlichen gewaltfreien Illusionen.


Spion. Zeitung für München 37 vom November 1985, 19.

Überraschung

Jahr: 1985
Bereich: Internationales