Materialien 1986
Nikoläuse festgenommen
Am Nikolaussamstag, 6. Dezember, gegen 16.30 Uhr, fand eine spontane Protestaktion von Niko-
läusen und Nikoläusinnen gegen die WAA und die am 5. Dezember vom Bundesrat beschlossenen verschärften Sicherheitsgesetze statt. Sie bewegte sich vom Karlsplatz in die Fußgängerzone hinein. Schon nach etwa zweihundert Metern wurden die ca. vierzig Teilnehmer/innen von der Polizei ge-
stoppt. Um eine mögliche Auseinandersetzung mit der Polizei zu vermeiden, gingen sie in Richtung Karlstor zurück: Auf Höhe der Herzog-Max-Straße wurden sie von immer massiver auftretenden Polizeikräften am Weitergehen gehindert und ohne die sonst übliche Aufforderung, die Versamm-
lung zu verlassen, eingekesselt. Nachdem aus den Reihen der Teilnehmer eine Erklärung über den Grund der Aktion abgegeben worden war, kam es zu spontanem Beifall von ca. zweihundert hinzu-
gekommenen Passanten mit der lautstarken Forderung, die eingekesselten Nikoläuse freizulassen: „1, 2, 3, lasst die Nikoläuse frei!“
Trotzdem wurden fünfundzwanzig Teilnehmer/innen und zwei Passanten auf zum Teil brutale Weise festgenommen. Sie wurden in bereitstehende Polizeibusse und ins Polizeipräsidium in die Ettstraße gebracht. Anwesende Pressefotografen wurden beim Dokumentieren dieser Polizeiaktion massiv behindert. Angesichts des ungerechtfertigten Vorgehens der Polizei kam es zu massiver Kritik seitens der umstehenden Passanten. Der Einsatzleiter wurde in eine Diskussion verwickelt und verbal heftig attackiert: „Polizeistaat“, „Ist das euer Verständnis von Demokratie?“, „Überre-
aktion“.
Bis auf eine Frau wurden alle nach der Feststellung der Personalien und Beschlagnahme der Niko-
lausmasken wieder freigelassen. Ihr wird Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung vorgeworfen. Aufgrund unwiderlegbarer Beobachtungen kann der Vorwurf nicht aufrechterhalten werden. Wie auch im Polizeibericht vermerkt, fiel die Frau und wurde dann von drei Polizisten weggezerrt. Ihre Freilassung erfolgte gegen 20.30 Uhr.
Das ungerechtfertigte Verhalten der Polizei war eine deutliche Demonstration, wie spontane Mei-
nungsäußerungen zu umstrittenen Themen radikal unterbunden werden. Durch die am 5. Dezem-
ber vom Bundesrat verabschiedete Verschärfung der sogenannten Sicherheitsgesetze werden der-
artige Vorgehensweisen gegen jede Art von Opposition und Widerstand zur Alltäglichkeit. Grund-
rechte, wie z.B. Demonstrations- und Meinungsfreiheit, bleiben dabei auf der Strecke.
Die Teilnehmer der Protestaktion
Resultat: Eine Anzeige wegen Widerstand und Körperverletzung, siebenundzwanzig Zeugenladun-
gen wegen Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Leitung oder Durchführung einer nicht angemel-
deten Versammlung.
Dokumentation. Recht ist, was Strauß nützt. Rechtsbrüche der CSU im Jahre 1986, München 1986, unpag.