Materialien 1987

„... hiermit erkläre ich Ihnen meine grundsätzliche Bereitschaft, die Fragen der Volkszählung 1987 zu beantworten ...“

Sehr geehrte Damen und Herrn,

hiermit erkläre ich Ihnen meine grundsätzliche Bereitschaft, die Fragen der Volkszählung 1987 zu beantworten. Leider ist aber in den mir überlassenen Unterlagen außer pauschal gehaltenen Erklärungen kein Nachweis enthalten, dass und auf welche Weise ein Missbrauch mit den von mir zu erteilenden Informationen und demnach auch eine mögliche nachteilige Wirkung und Schadenszufügung für mich jetzt und künftig ausgeschlossen werden kann.

Im Hinblick auf mein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (s. Volkszählungsurteil des BVerfG vom 15.12.83) sehe ich mich gezwungen, zu verlangen, dass vor Erteilung der von mir erfragten Auskünfte der Nachweis erbracht und mir zusammen mit den Unterlagen der Volkszählung vorgelegt wird, dass

1. die Volkszählung nicht auch auf freiwilliger Ebene durchzuführen ist,

2. jede elektronische Verknüpfung der von mir gelieferten Daten unmöglich ist,

3. Missbrauch von außen (durch Hacker) und von innen (durch Personal und Unbefugte) in bezug auf meine Daten durch wirksamste Schutzmaßnahmen unmöglich gemacht wird,

4. über das sogenannte Blockseitenmerkmal keine Deanonymisierung meiner Daten erfolgen kann (vgl. § 15 Abs. 4 VolkszählungsG),

5. über das in Bayern seit 1.4.83 gültige Meldegesetz und die dort eingeführte Ordnungskennzahl nicht doch eine Deanonymisierung meiner Daten erfolgen kann,

6. die Trennung zwischen Erhebungsstellen und Verwaltungsstellen in meinem konkreten Fall gesichert ist,

7. weder Kreiswehrersatz-, Arbeits-, Melde- oder Finanzämter die von mir gelieferten Daten zum Gegenstand von Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren machen,

8. weder Zähler noch Überzähler ihre Kenntnisse von Daten für private, wirtschaftliche oder religiöse Zwecke (Sekten!) missbrauchen können,

9. keine dritte Person im Rahmen des Haushaltsbogens oder Arbeitsstättenbogens Daten von mir angeben darf, bevor mir die vorstehenden Punkte schriftlich garantiert worden sind.

Außerdem bitte ich unverzüglich um Bekanntgabe der oder des Verantwortlichen, an den/die ich mich halten kann, falls entgegen der geforderten Zusicherungen es doch zum Missbrauch meiner Daten kommen sollte. Darüber hinaus bitte ich um Aufklärung, was mit dem großen Datenbestand der Bevölkerung geschehen würde, sollte – was keiner von uns wünscht – sich die demokratische Struktur dieses Landes einmal auflösen.

In Anbetracht der sprunghaft angestiegenen Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung und der dadurch erhöhten Gefahr eines möglichen Missbrauchs muss ich aus dem legitimen Interesse einer rechtzeitigen Schadensabwehr heraus auf den genannten Nachweisen und förmlichen Zusicherungen vor Beantwortung der zu beantwortenden Fragen bestehen.

Es muss überdies vor der Beantwortung geklärt sein, und ich bitte, mir dies in den Unterlagen gleichfalls mitzuteilen, wie ich überprüfen kann bzw. wie und durch wen ich zu welchen Zeitpunkten der/des Bearbeitungsprozesse/s eine Überprüfung vornehmen lassen kann, dass das Zutreffen der mitgeteilten Nachweise und die Einhaltung der gegebenen Zusicherungen auch tatsächlich gewährleistet sind.

Die Tatsache, dass sich der Staat der komplizierten, schwer durchschaubaren, schwer kontrollierbaren und dadurch wiederum in spezifischer Weise zu Missbrauch geeigneten Methoden der elektronischen Datenverarbeitung und Datenspeicherung bedient, unterwirft diesen Staat auch einer erhöhten Sorgfalts- und Aufklärungspflicht gegenüber seinen Bürgern.

Die mir überlassenen Unterlagen sende ich zwecks Ergänzung der oben genannten fehlenden Nachweise und Zusicherungen unausgefüllt an Sie zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Günther Gerstenberg


Wir. DGB Kreis München 2 vom April-Mai-Juni 1987, 7.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Bürgerrechte

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