Materialien 1987

Pater Rupert Mayer - oder: Das Komplott zwischen Kirche und Naziführung

Am 3. Mai 1987 ist es also soweit: München hat die zweifelhafte Ehre, dass sich ein Papst Woityla (alias Johannes Paul II.) knapp 6 ½ Jahre nach seinem ersten Besuch erneut in der Stadt blicken lässt. Zwar hält er sich gerade 7 Stunden hier auf, zwischen Terminen in Essen und Augsburg, und der Zeitplan ist höllisch vollgestopft: Auftritt mit Gottesdienst im Olympiastadion (3 Stunden), Essen im Erzbischöflichen Ordinariat, Abflug per Hubschrauber von der Theresienwiese nach Augsburg – aber zwischen- durch hat Woityla doch noch den eigentlichen Anlass seiner Stippvisite in München eingeplant: da spricht er Pater Rupert Mayer SJ schnell noch selig.

Die Kirche(n) hatte(n) es eben immer schon schwer mit mutigen, aufrechten, politisch engagierten Geistlichen – und Laien! Und ob dem Jesuitenpater Rupert Mayer diese Art von Rummel um seine Person recht gewesen wäre, noch dazu veranstaltet vom Management eines TV-gerechten Medienpapstes, das kann man mit gutem Recht bezweifeln. Hatte er doch gerade auch bei seinem antifaschistischen Widerstand gleichzeitig gegen den massiven Druck seiner eigenen Kirche ankämpfen müssen! Kardinal Faulhaber, rechts konservativ seit eh und je, hatte ihn wiederholt abgemahnt, das so gute Verhältnis zum faschistischen Regime nicht durch – in des Kardinals Sicht – unnötig politische und deutliche Predigten zu gefährden.

Doch die Münchner wussten, warum sie zu seinen Predigten, besonders in der Michaelskirche, in Scharen strömten. Hier hörte man einen aufrechten, ehrlichen Christen, der nicht sein Mäntelchen nach dem Wind hing, der nicht nur dann protestierte, wenn der engere Besitzstand der Kirchen durch das Naziregime gefährdet schien. Ausgehend von einer durchaus konservativen katholischen Position hatte Pater Rupert Mayer schon während der 20er Jahre es als nahezu einziger Geistlicher Münchens gewagt, sich in den Versammlungen der Arbeiterparteien, der KPD und der SPD, zur Diskussion zu stellen, und hatte so, wenn nicht Zustimmung, so doch hohes persönliches Ansehen und Achtung erworben.

Als er sich nach der Machtübertragung an die Hitlerregierung 1933 nun dem Naziregime stellte, mit der ihm eigenen Ausdauer und positiven Sturheit und dem, was er wohl „Gottvertrauen“ genannt hat, da waren diese zunächst schlicht und einfach verblüfft. Zum einen war er tatsächlich sehr allein – bekanntlich gibt es nennenswerten und massiveren Widerstand außerhalb der Arbeiterparteien erst ab der Wende des 2. Weltkrieges. Zum anderen hatten sich die Nazis die Kirchen durch das taktisch geschickte Konkordat vom 20. Juli 1933 und mit den hier enthaltenen weitgehenden Rechten, die sie zugestanden, gefügig gemacht (übrigens der einzige heute noch gültige internationale Vertrag der Nazis!)

Pater Rupert Mayer stand allein, als das NS-Regime nun Schritt für Schritt den Druck auf ihn verschärfte – und gerade in seiner Amtskirche hatte er keinerlei Rückhalt; den fand er eher schon bei seinen Münchner Jesuitenordensbrüdern. Am 8. Mai 1936 wurde er wegen seiner Predigten, die von SSlern in Uniform öffentlich mitstenographiert wurden, vermahnt; am 16. Mai 1937 erhielt er Predigtverbot, an das er sich nicht hielt. Wiederholt wurde er zur Gestapo ins Wittelsbacher Palais in der Brienner Straße zitiert, öfters inhaftiert (so in Stadelheim und Landsberg), 1939 sogar für einige Wochen ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Seine Haftzeiten dauerten jeweils nur wenige Wochen. nicht etwa weil die Nazis auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand wegen schwerer Verwundungen aus dem 1. Weltkrieg Rücksicht nahmen, als vielmehr deshalb, weil die Nazis wussten, welch starken Rückhalt Pater Rupert Mayer in der Münchner Bevölkerung hatte.

In einem Komplott zwischen Kirche und Naziführung wurde schließlich der unbequeme Prediger 1940 zum Schweigen gebracht: er musste im Kloster Ettal verschwinden. Das katholische erzbischöfliche Ordinariat selbst inhaftierte praktisch ihrer mutigen Prediger mit folgenden Auflagen:

1. P. Mayer darf in keiner Weise mit der Außenwelt in Berührung kommen. Zu diesem Zweck ist dafür zu sorgen, dass er das Kloster nicht verlässt.

2. Seine Korrespondenz ist auf ein Mindestmaß zu beschränken. Sie darf sich nur auf rein persönliche Angelegenheiten erstrecken und mit den nächsten Verwandtenkreisen geführt werden. Soweit im Einzelfall ein dringendes Erfordernis verliegt, bestehen gegen einen Briefwechsel mit den kirchlichen Stellen keine Bedenken, vorausgesetzt, dass der Inhalt der Korrespondenz rein persönlicher Natur ist.

3 Hinsichtlich des Empfanges von Besuchen gilt das unter 2 Gesagte sinngemäß, mit der Einschränkung, dass ihn nur die allernächsten Verwandten besuchen dürfen. Im Falle einer etwaigen Erkrankung des P. R. Mayer steht der Inanspruchnahme eines Arztes nichts im Wege.

4. Gottesdienstliche Handlungen im Kloster dürfen von P. R. Mayer nicht abgehalten werden, wenn bei diesen eine Möglichkeit der Teilnahme von außenstehenden Personen besteht. Grundsätzlich ist aber P. R. Mayer das Beichthören verboten.

Mit Rücksicht auf seinen Jesuitenorden und wohl auch deshalb, weil ein Aufbegehren gegen seine eigene Kirche für einen Pater nur schwer denkbar war, hielt er sich an diese Auflagen. Kaum hatten die Amerikaner München und dann Oberbayern befreit, stand er sofort wieder auf der Kanzel, zuerst am 6. Mai 1945 in Ettal, nach seiner Rückkehr nach München am 11. Mai 1945 dann auch hier wieder.

Während des Morgengottesdienstes am 1. November 1945 in der Kreuzkapelle der Michaelskirche erlitt P. Rupert Mayer einen Gehirnschlag, an dem er gegen 11 Uhr starb. Eine beinahe gespenstische Geschichte wird darüber erzählt. Dass der Jesuitenpater nach seinem Gehirnschlag am Altar bewegungslos aufrecht stehen blieb und nicht zu Boden fiel – vielleicht auch deshalb, weil sich seine Beinprothese, die er seit dem 1. Weltkrieg trug, verhängte. Die Münchner prägten jedenfalls damals das Wort: „Pater Rupert Mayer ist nie umgefallen, nicht einmal im Tod.“

Bleibt noch einiges nachzutragen: Zum einen ist es durchaus auffällig, dass die katholische Kirche erst jetzt dieses aufrechten Mannes wenigstens mit einer Seligsprechung gedenkt. Für Seligsprechungen bedarf es nach den Regeln der Kirche einiger sogenannter Gebetserhörungen und „Wunder“ (die zuhauf vorliegen) und einer Menge Unterschriften. Wenn es danach ginge, hätte er schon vor 30 Jahren seliggesprochen werden können: Ganz offensichtlich befürchteten die Kirchenführer lange, dass die miese Rolle so mancher lebender und regierender „Kirchenfürsten“ im Laufe des Seligsprechungsprozesses an die Öffentlichkeit gelangen könnte. Gerade über das katastrophale Wirken des so vielgerühmten Michael Kardinal Faulhaber von München wäre da einiges zu sagen!

Und zum anderen wurde erst jetzt bekannt, dass das Urteil gegen Pater Rupert Mayer vom 22./23. Juli 1937 noch heute rechtskräftig ist, also von den bayerischen Justizbehörden nie aufgehoben wurde. Aufgrund dieses Urteils war der Pater in das Gefängnis von Landsberg und dann in das KZ verbracht worden. Aber wie sollte denn auch dieses Urteil aufgehoben werden? Der Staatsanwalt im damaligen Sondergerichtsprozess, Großer, wurde vielmehr später zum Präsidenten des Amtsgerichts befördert und schließlich 1955 zum 1. Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes gewählt! Und auch die übrigen, an dem Prozess beteiligten Justizvertreter brachten es nach dem Krieg zu weiteren Ehren. So wurde der Leiter der Anklagebehörde beim Sondergericht, Alfred Resch, der die Anklageschrift unterschrieben hatte, 1954 Präsident des Oberlandesgerichts München; sein Porträt hängt noch heute im Dienstzimmer des Präsidenten dieses Gerichts.

- Vergangenheitsbewältigung auf bundesrepublikanische Art!

Frieder Köllmayr


Freidenkerinfo. DFV Ortsgruppe München vom Mai/Juli 1987, 27 ff.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Religion

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