Flusslandschaft 1963

Religion

Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“ und Rolf Hochhuts „Der Stellvertreter“ erscheinen. Carl Amery veröffentlicht „Die Kapitulation – oder: Deutscher Katholizismus heute“. Für katholische Kreise sind hier Häretiker am Werk. Kirchenkritiker dagegen sehen Böll und Amery immer noch als Ärzte am Krankenbett der Kirche und meinen: „Die Kirche rülpst in Agonie, da hilft kein Böll, kein Amery.“

„Geknechtete Triebe bleiben ungeformt, von tiefer Asozialität. Hat man die angstvolle Triebrepres-
sion erst einmal als Prämisse, dann hat man es mit einem Gegner zu tun, dem nicht mehr beizu-
kommen ist, weil er die besten bewussten Absichten zu überlisten versteht. Infolgedessen über-
wiegt das Ausmaß an Strafbereitschaft, Kälte, Hass, Unfähigkeit zur Einfühlung – überwiegt der Dressurzwang auf allen Schauplätzen das Maß an Güte, Freundlichkeit, Anteilnahme, also die ge-
lungene Kultiviertheit, deren die meisten fähig sind. Wer dies nicht mit eigenen Augen zu beob-
achten fähig ist, fälscht wissentlich oder unwissentlich die Realbilanz.“1


1 Alexander Mitscherlich, Thesen zu einer Diskussion über Atheismus, in: Club Voltaire. München 1963, 75, zit. in: Karl Freydorf, Neuer roter Katechismus. Kommentiert von Frank Bökelmann, München 1968, 226 f.