Materialien 1989
Erfolge im Kampf um Versammlungsfreiheit?
Durch das Aufrücken Peter Gauweilers in das Innenministerium wurde die „Münchner Linie“, d.h. Veranstaltungs- und Versammlungsverbote, Aufstellung und Einsatz von Polizeisondereinheiten, Unterdrückung der systemkritischen Opposition, des WAA-Widerstands usw. vor einigen Jahren bayernweit ausgedehnt. Jetzt scheint diese Linie, zumindest in München, zusammenzubrechen.
So war es jetzt möglich, dass – allerdings erst im vierten Anlauf – ein offizieller Vertreter von Feyka-Kurdistan in München auftreten konnte. Im Februar 1988 war die erste Veranstaltung von der Polizei direkt aufgelöst worden. Im zweiten Anlauf im Mai 1988 gab es von der Stadt München immerhin nur einen Auflagenbescheid, per Ersatzvornahme griff aber das Innenministerium bzw. die Regierung von Oberbayern ein und untersagte die Veranstaltung. Obwohl im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Veranstalter Recht bekamen, verhinderten die aufmarschierten paramilitärischen USK-Einheiten durch Einschüchterung der Wirte die Veranstaltung. Im März 1989 konnte der Arbeitskreis Kurdistan im Rahmen einer Kurdistan-Woche wenigstens überhaupt eine Veranstaltung durchführen, musste aber die Anwesenheit von Polizei mit aufnahmebereitem Tonband hinnehmen. Jetzt, am 5. Mai 1989, gab es auch kein Tonband mehr, nur die Auflage, die Anwesenheit der Polizei nicht zu problematisieren oder zu diskutieren. Die Begründung für die Auflage, die Polizei sei bei der vorherigen Veranstaltung “tätlich angegriffen” worden, musste zwar zurückgenommen werden, eine Berichtigung wurde durchgesetzt, die Auflage blieb aber.
Auch bezüglich der Durchsetzung von Informationsständen gibt es Erfolge. Am 27. April 1989 verbot die Stadt München zunächst einen Informationsstand der Volksfront mit dem Schwerpunkthema “Hungerstreik”: „… Die Durchführung der vom Antragsteiler geplanten Sondernutzung würde zu einer nicht unerheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung … führen … ergibt sich aufgrund des o.g. “Hungerstreik Info Nr. 9”, dass auch die kriminellen Ziele der RAP durch Solidaritätsbekundungen und Sympathiewerbung unterstützt werden sollen. Da es demnach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an dem Informationsstand zu Straftaten kommen wird, ist die Erlaubnis zu versagen …
Die Argumentation wurde dadurch unterstützt, dass aus Kreisen des Innenministeriums, der Staatsanwaltschaft und des LKA der Hilferuf an Rebmann geschickt wurde, gegen das Info Nr. 9 zu ermitteln. Ohne Gründe können ja schlecht Verbote ausgesprochen werde. Rebmann half, gegen das Info Nr. 9 wird inzwischen wegen § 129a ermittelt. Da der Veranstalter sich bereit erklärte, auf das Auflegen des Info Nr. 9 zu verzichten, wurde nun auf einige Vorstrafen und – inzwischen allerdings sämtlich eingestellte „Ermittlungsverfahren Bezug genommen und behauptet, dass die Person des Antragstellers nicht die Gewähr dafür biete, dass diese Auflagen auch eingehalten werden."
Per einstweiliger Anordnung wurde die Stadt München dann aber vom Verwaltungsgericht gezwungen, die Sondernutzungserlaubnis zu erteilen: „… Die Antragsgegnerin hat sich durch ihre ständige Verwaltungspraxis in der Weise gebunden, dass sie derartige Informationsstände grundsätzlich erlaubt … Die Antragsgegnerin ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es beim Betreiben des Informationsstandes durch den Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu derartigen gesetzeswidrigen oder strafbaren Verhalten kommen werden kann … Die Kammer hält es auch nicht für lebensfremd davon auszugehen, dass die Auflage beachtet werden wird (vgl. Schlußsatz der Landesanwaltschaft) …"
Die Beschwerde der Landesanwaltschaft, der sich die Stadt München anschloss, wurde ebenfalls abgelehnt. Ein erneuter Stand eine Woche später wurde, außer bzgl. Info Nr. 9, anstandslos genehmigt.
Es haben sich vor allem die Widersprüche zwischen kommunalen Behörden und zentralen staatlichen Instanzen aufgezeigt, und auch die Existenz gewisser zwischen- und überbehördlicher Strukturen. Die Vorgänge, vor allem das Ausschöpfen rechtlicher Mittel und die Durchführung von Veranstaltungen auch bei offizieller Anwesenheit der Polizei haben allerdings zu einer verstärkten politischen Spaltung in München geführt. So wurde vom antiimperialistischen und von einem Teil des autonomen Spektrums die Kurdistan-Veranstaltung mehr oder weniger boykottiert, weil offizielle Polizei anwesend war. Einen Tag später wurde aber ein “Wanderkessel” im Zuge einer Kundgebung vor dem Justizministerium und einer anschließenden Demonstration in Kauf genommen. Da ist ein Widerspruch. Und, für Feyka-Kurdistan ist es ein nicht unerheblicher Erfolg, vor allem wegen der anstehenden Prozesse, offiziell, unbeanstandet und gerade vor Augen der Polizei sprechen zu können. Die juristische Ebene in Bayern ist nun in etwa ausgeschöpft, weitere Erfolge können jetzt erst mal nur auf politischer Ebene erkämpft werden.
(chi)
Münchner Lokalberichte 10 vom 8. Mai 1989, 5.