Materialien 1989

Dritte Welt Läden: Solidarität pro und Contra

Haben Sie ihn auch schon mit unserem Laden verwechselt? Gemeint ist der von der DIJU im Sommer 1987 ebenfalls in Haidhausen, in der Breisacher Straße 19, eröffnete Dritte Welt-Laden. Mit ihm sind wir schon öfter verwechselt worden, so jetzt auch in zwei Artikeln in der Zeitschrift „ides“, was uns besonders in der Nicaragua-Solidaritäts-Szene in Verruf gebracht hat. Einen der beiden Artikel (aus „ides“ Nr. 416) finden Sie im Anschluss. Für uns ist diese Verwechslung ziem-
lich folgenreich, denn wer will noch in solch einem zwielichtigen Laden einkaufen? Deshalb haben wir uns bereits um eine genaue Klärung der Sachlage bemüht und eine Gegendarstellung an „ides“ und weitere Solidaritätsgruppen geschickt. Inzwischen haben sich die Verantwortlichen der Zeitschrift bei uns entschuldigt und werden ihrerseits das Nötige zur Richtigstellung beitra-
gen. Wir hoffen, mit diesem Artikel einen klärenden Beitrag zu leisten, und möchten Sie bitten, doch weiter zu lesen …

Herzlichst, Ihre Dritte Welt Laden-Mitarbeiterinnen

Hier nun der „ides“-Artikel:

Der Wolf im Schafspelz oder: Was hat der Dritte WeIt-Laden Haidhausen mit der Nicaragua- Hurrikan-Solidarität zu tun?

Beim Durchlesen des Aufrufs zur Hurrikan-Hilfe fiel uns bei den Unterstützergruppen der Dritte-Welt-Laden Haidhausen auf. Eben dieser Laden gehört zu den Unterstützern der Contra und der Frente interno in der BRD.

In dem Buch „Die Contra-Connection“ wurde u.a. die Strategie der Rechten beschrieben, mittels linker Rhetorik die Solidarität von innen auszuhöhlen. Dazu gehört der Dritte-Welt-Laden Haid-
hausen, der in München von einem Verein namens DIJU und vom ehemaligen KAS-Leiter in Hon-
duras, Wolfgang Steigert, betrieben wird. Mitglieder sind hier von Otto von Habsburg bis Peter Gauweiler prominente Rechte und Ultrarechte.

Wir sind der Meinung, dass der Verein unter dem Aufruf nichts zu suchen hat!

Im folgenden drucken wir mit kämpferischer Genehmigung der Autoren der „Contra-Connection“ den entsprechenden Artikel ab, der diese Funktion im BRD-Contra-Netz offen legt.

Der Deutsch-Iberoamerikanische Jugendaustausch
Ein U-Boot namens DIJU

Im Juni 1987 eröffnete im Parterre des Hauses Breisacher Straße 19 im Münchner Stadtteil Haid-
hausen ein „Dritte-Welt-Laden“ und begann mit dem Verkauf von handgefertigten Kunstgegen-
ständen aus Lateinamerika. Darüber hinaus beteiligten sich die Betreiber des Ladens an Straßen-
festen und mildtätigen Spendensammlungen für die sogenannte Dritte Welt.

Vor dem Laden hängt ein Schaukasten, in dem Exemplare der kostenlosen Stadtteilzeitung „Wir in Haidhausen“ aushängen. Dort erfährt die Betrachterin zunächst, dass sich der Betreiber des La-
dens, ein „Deutsch-Iberoamerikanischer Jugendaustausch“, DIJU, ganz lateinamerikanisch „Di-
schuh“ ausspricht. Außerdem wird die Betrachterin informiert, dass die Einkünfte des Vereins für die Jahre 1985/86 12.500 DM betrugen, die zur Unterstützung eines Behindertenheims in Ecuador sowie für die Patenschaft für ein Waisenhaus in El Salvador verwendet wurden. Unter anderem sei das Geld aus Kunstversteigerungen zusammengekommen. Es wird auch um Unterstützung für ein neues Projekt in Nicaragua geworben: die Förderung einer Nähstube einer Frauenselbsthilfegrup-
pe mit Unterstützung einer nicaraguanischen Gewerkschaft.

Spätestens hier fällt der Betrachterin auf, wie schwammig über die Projekte und die Verwendung der Gelder informiert wird. Offensichtlich hat jemand Scheu, Genaueres von sich zu geben. Aus
der ausgehängten Stadtteilzeitung erfährt mensch außerdem, dass der Betreiber des Ladens, CSU-
Stadtrat Otto Lerchenmüller, 1986 einen Scheck über 10.000 DM für eine Hilfsaktion für den Behindertenkindergarten in Ecucador überreicht hatte. Anwesend waren dabei die Frau des Generalkonsuls von Ecuador, Leila Shleret, und ein Repräsentant der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung (HSS).

Die Betrachterin ist darüber verwirrt, dass ein Vertreter der HSS Interesse. an diesem alternativ anmutenden Laden haben kann, ist die HSS doch normalerweise am rechten äußeren Rand des politischen Spektrums aktiv.

Die Gewissheit, dass diese Einschätzung auch hier zutrifft, erfährt mensch beim Betreten des La-
dens. In der Sitzecke offenbart sich, dass das ganze alternative Getue reine Fassade ist. Neben dem Lateinamerika-Report der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Freiheit und Demokratie, IAFD, liegen dort die Machwerke der Nicaragua-Gesellschaft zur Ansicht aus. Hier findet sich auch die einfach zu perfekt gemachte, GEO-ähnliche Zeitschrift „Die Americas“. Schwerpunkt dieser Zeit-
schrift ist Mittelamerika und besonders Nicaragua, das bei jeder Gelegenheit als marxistisch-leninistischer Totalitarismus verteufelt wird.

Die Aktivitäten des DIJU

Seit etwa 1986 ist der gemeinnützige (!) DIJU in München aktiv. Er muss zu den Vereinen gezählt werden, die in den letzten Jahren zumeist mit Hilfe undurchsichtiger Finanzquellen entstanden sind und die mit der Unterstützung der Contras bzw. der Vermittlung deren Propaganda beschäf-
tigt sind. Die Contra-Propaganda geht einher mit der positiven Darstellung der militaristischen Nationalbourgeoisien der übrigen Länder des Isthmus, die sich angeblich schon fast zu Demokra-
tien entwickelt hätten, es fehle lediglich noch etwas Wirtschafts- und Polizeihilfe.

Diese Vereine entspringen dem Dunstkreis der CSU/CDU und sind dementsprechend damit be-
schäftigt, eine christdemokratisch contrafreundliche Atmosphäre in der BRD zu verbreiten. Dabei bleibt die militärische Unterstützung größtenteils den USA überlassen, das Schwergewicht der Vereinsaktivitäten in der BRD gilt der Propaganda. Diese Arbeitsteilung deckt sich mit den Be-
schlüssen des Contra-Treffens im Februar 1986 in Madrid, die für Europa eine Pro-Contra-Medi-
enoffensive mit Unterstützung durch die CIA beinhalten.

Obwohl der DIJU vorgibt, kein „politischer oder gar parteipolitischer Verein“ zu sein, sprechen so-
wohl die neueren Aktivitäten als auch die personelle Zusammensetzung des DIJU dieser Aussage Hohn. „Wir gehören nicht zu denen, die unbedingt die Sandinisten unterstützen“, beschönigt der DIJU-Präsident Ludwig Faßold und begründet die Aktivitäten des Vereins als „Gegengewicht zu von der Linken manipulierten, extrem ausgerichteten Nachrichten aus der Region“.

Der FDP-Stadtrat Faßold hatte den DIJU 1974 mit Beteiligung des derzeitigen bayerischen CSU-
Staatssekretärs Peter Gauweiler gegründet. Auch CSU-Entwicklungsminister Hans „Johnny“ Klein ist langjähriges Mitglied und war bis 1984 im DIJU-Vorstand.

War der Vereinszweck am Anfang darauf festgelegt, „die Beziehungen zwischen der jungen Gene-
ration der iberischen und iberoamerikanischen Länder einerseits und der BRD und dem Land Berlin andererseits enger zu gestalten“, rückten vier Jahre später „gesellschaftspolitische und soziale Jugendprobleme“ in den Mittelpunkt. Später wurde mit dem Eintritt des ehemaligen Lei-
ters des Instituts für Internationale Solidarität der Konrad-Adenauer-Stiftung, KAS, in Venezuela, Edmund Moser, besonderer Wert auf die „politische Bildung“ gelegt.

Seit 1981 arbeitet der DIJU mit der Bayerisch-Venezolanischen Gesellschaft, der Edmund Moser vorsteht, zusammen. Diese ist in denselben Räumlichkeiten wie die IAFD in der Landsberger Straße 289 in München Laim untergebracht und ist gleichzeitig die Geschäftsadresse des Mundis-Verlages und der E. Moser International AG. Moser war einer der BRD-Vertreter auf dem CIA-
Contra-Treffen 1986 in Madrid. Er steht in enger Verbindung mit dem ehemaligen Auslandsmit-
arbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS)in Ecuador, Wolfgang Steigert. Beide sind ausgespro-
chene Freunde der Contra-Söldner und erklärte Gegner der nicaraguanischen Regierung. Beide verfügen über persönliche Kontakte zu diversen Contra-Chefs und sind sehr um deren Publicity besorgt.

Steigert organisierte am 30. Juni 1983 ein Treffen zwischen dem FDN-Direktoriumsmitglied Inda-
lecio Rodriguez und dem Lateinamerikabeauftragten des Auswärtigen Amtes, Horst Kullak-Ublick (zur Zeit Botschafter in Chile). Das Treffen fand im Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Teguci-
galpa, Honduras, statt. Am selben Ort organisierte Steigert knapp ein Jahr später ein Treffen zwi-
schen MISURASATA-Führer Adan Arto1a und einer Delegation des Deutschen Bundestages.

HSS-Steigert animierte Lerchenmüller, wegen des Erdbebens in Ecuador eine Sammlung zu veran-
stalten, bei der etwa 10.000 DM eingenommen wurden. Steigert, der außer für die HSS auch für KAS gearbeitet hatte, hat auch gute Kontakte nach EI Salvador. Dank dieser Kontakte konnte Ler-
chenmüller auch für ein Waisenhaus in Santa Tecla, in der Nähe der Hauptstadt San Salvador, seine „mildtätigen“ Aktivitäten entfalten.

Das Pikante an diesem Projekt ist, dass auch die IAFD Edmund Mosers damit Werbung betreibt. Bei dem DIJU-Projekt der Unterstützung einer Nähstube mit Hilfe einer nicaraguanischen Ge-
werkschaft handelt es sich um ein Projekt, für das auch die Bonner Nicaragua-Gesellschaft wirbt. Im ganzen sind das vier Nähschulen, die von der rechten CTN-Gewerkschaft aufgebaut werden. Die ersten Nähmaschinen spendete sogar der nicaraguanische Honorarkonsul Engler-Hamm aus München.

Der DIJU legt los

Im Februar 1987 zog der DIJU aus der Münchner Nobel-Residenz Prannerstraße 9, Palais Gise, nach Haidhausen um, in die Höhle des CSU-Löwen Otto Lerchenmüller. Er macht schon lange diesen Stadtteil mit seiner Wohnungsbaupolitik unsicher. Er ist nicht nur im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung, sondern auch im Kulturausschuss der Stadt München und zu-
sätzlich CSU-Mieterschutzbeauftragter – und das schon seit Jahren. Seinen Schwerpunkt setzt er dabei auf Sanierungsfragen. Unter seiner Ägide wurde der Stadtteil umstrukturiert, wurden Häu-
ser renoviert und vor allem die Mieten erhöht. So war er unter anderem in einen Mietskandal verwickelt, bei dem die Miete um 168 Prozent erhöht wurde. Doch würde es hier zu weit führen, alle Details seiner zweifelhaften Umtriebe auszuführen. Otto Lerchenrnüller gibt sich gerne als geschäftstüchtiger Unternehmer und Karrieremacher – jedenfalls hätte er das gerne.

In der Breisacher Straße 19 sind in denselben Räumen wie der Dritte Welt-Ladendes DIJU die Öko-Müll-Aktion, die Dritte Welt-Aktion, das Werbebüro „Lemü“, der Haidhausen-Verlag und die Redaktion des „Wir in Haidhausen“ untergebracht. Chef des Ganzen ist natürlich Otto L. Da frag-
ten sich auch die MacherInnen der progressiven Haidhauser Nachrichten: „Wer, zum Teufel, ist dieser Otto L.?“

Die Antwort scheint leicht, gibt es bei uns doch bereits seit gut drei Jahren eine Art pseudo-religi-
öse Kultzeitung, deren zentrales Thema nichts anderes und nichts geringeres ist als eben dieser gespenstische Otto L. Und wegen der historischen Dimension seines Erscheinens und Wirkens in Haidhausen wird man ihm nachsehen können, dass er, in Anlehnung an vornehm-bescheidene Vorbilder wie „Wir Ludwig in Bayern“, von sich nur in der Mehrzahl spricht: Wir (Otto) in Haid-
hausen. Derzeit werden jeden Monat (demnächst sogar zweimal im Monat) etwa 25.000 Stück dieses aufwendig gemachten, zweifarbigen Druckwerks durch professionelle Verteiler kostenlos und unbestellt in die Briefkästen der Haidhauser gestopft, in Läden teilweise ahnungsloser La-
denbesitzer ausgelegt und in Altersheimen (hier ist Otto L. Verwaltungsbeirat) verteilt.

Im letzten Jahr kam das Blatt elfmal heraus; durchschnittliche Seitenzahl: zehn. In jeder Ausgabe wurde der Name Otto Lerchenmüller im Durchschnitt mindestens fünfmal zitiert, mindestens drei-
zehn Fotos von Otto L. wurden im Jahrgang 1983 veröffentlicht. Statistisch gesehen: 275.000 Exemplare wurden 1983 gedruckt und verteilt; in ihnen fand sich der Name Otto Lerchenmüller einemilliondreihundertfünfundsiebzigtausendmal (1.375.000). Wie gesagt: Durchschnittswerte.

Otto L. ist beileibe kein Unbekannter in der CSU, druckt doch sein Haidhausen-Verlag das CSU-
Wahlkampfblatt „der Münchener“. Aber ebenso scheint die heimische Industrie Otto L. zugetan. Das Blättchen finanziert sich vornehmlich aus Anzeigen der Daimler-Benz AG, Löwenbräu, diver-
sen Banken, Bau- und Sanierungsfirmen usw. „Wir in Haidhausen“ kann mittlerweile als das DIJO-Zentralorgan angesehen werden, verantwortlich für den Inhalt ist HSS-Wolfgang Steigert.
Er zeichnet verantwortlich für Artikel wie „Zitherclub Almröserl begeistert gefeiert“, aber auch für „Guerrilla auf verlorenem Posten“ über El Salvador. Die Contras werden dann in der Manier bester Geschichtsklitterung als „prowestlich orientierte Resistance“ beschrieben.

Wolfgang Steigert ist seit Januar 1987 Generalsekretär des DIJU.

Der Wolf im Schafspelz?

Zugegeben – in der Münchner Nicaragua-Solidaritäts-Szene ist es komplizierter geworden, seit der DIJU im Sommer 1987 seinen „Dritte Welt Laden“ in der Breisacher Straße in Haidhausen eröffne-
te.

Vor allem der DRITTE WELT LADEN HAIDHAUSEN, seit Frühjahr 1985 ein paar Straßen weiter in der Sedanstraße ansässig, fürchtete, daß es da zu üblen Verwechslungen kommen konnte. Und genau das ist jetzt passiert. (Siehe „ides“ Nr. 416 und 423)

Nachdem es nun also zwei Dritte Welt-Läden in Haidhausen gibt, hier noch einmal die genaue Sachlage:

 Sämtliche Informationen aus dem Buch „Die Contra Connection“, abgedruckt im idesNr.416, beziehen sich auf den Laden des DIJU in der Breisacher Straße.

 Der DRITTE WELT LADEN HAIDHAUSEN in der Sedanstraße steht in keinem wie auch immer gearteten Zusammen hang zum DIJU und distanziert sich ausdrücklich von dessen Aktivitäten.

Der DRITTE WELT LADEN HAIDHAUSEN hat das Ziel, durch den Verkauf von Produkten von Kooperativen in Afrika, Asien und Lateinamerika und durch Informationsveranstaltungen über die Zusammenhänge zwischen „Erster“ und „Dritter“ Welt die ungerechten Welthandelsstrukturen und die damit verbundenen Abhängigkeiten zu informieren. Im Rahmen dieses Konzepts spielt die Solidarität mit dem revolutionären Nicaragua eine wichtige Rolle. Die Nicaragua-Arbeit geschieht dabei vor allem in Zusammenarbeit mit dem ÖKUMENISCHEN BÜRO FÜR FRIEDEN UND GE-
RECHTIGKEIT e.V. und hat folgende Schwerpunkte:

 Teilnahme von Mitgliedern des DRITTE WELT LADENS HAIDHAUSEN an den BERT BRECHT BRIGADEN,

 Unterstützung von Nicaragua- Veranstaltungen des Ökumenischen Büros,

 Unterstützung von Projekten des Erziehungsministeriums Rio San Juan.

Die Unterzeichnung des Hurrikan-Aufrufs (und übrigens auch unser Infodienst-Abo in Wuppertal) stehen in diesem Zusammenhang und sind also nicht Bestandteil einer rechten Strategie, „mittels linker Rhetorik die Solidarität von innen auszuhöhlen“.

Das bedeutet nun selbstverständlich nicht, dass es eine solche Strategie der Rechten nicht gäbe. Tatsächlich gab es in München Versuche des DIJU, in einem Zusammenschluss Münchner ent-
wicklungspolitischer Aktionsgruppen Fuß zu fassen. Den Münchner Gruppen sind aber die Aktivi-
täten und die politische Ausrichtung des DIJU hinreichend bekannt. Seine Unterwanderungsver-
suche waren daher bislang nicht erfolgreich.

Dritte Welt Laden Haidhausen, Sedanstraße 29
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.,
Pariser Straße 7


Haidhauser Nachrichten 4 vom April 1989, 1 ff.

Überraschung

Jahr: 1989
Bereich: Internationales

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