Materialien 1990
An die Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde
Landwehrstr. 11
8000 München 2
München, 18.6.1990
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach 24 Jahren in München habe ich keinesfalls die Absicht, plötzlich die Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde München, die deckungsgleich mit dem Dekanatsbezirk München sei und von mir Kirchgeld aufgrund des staatlichen Kirchensteuergesetzes vom 15.3.1967 (GBV1 S. 315 ff.) erheben will, zu finanzieren und mit Kirchgeld dazu beizutragen, die Aufgaben der Gesamtkirchengemeinde zu erfüllen, im Gegenteil halte ich die Kirchen für überfinanziert mit über 15 Milliarden DM Einnahmen im Jahr und eine Aufgabenerfüllung geradezu für schädlich, so dass ich bereits vor über zwei Jahrzehnten eine Institution verlassen habe, in die ich versehentlich hineingeboren wurde, so dass die Anrede „Sehr geehrtes GEMEINDEGLIED“ unpassend und die Geldforderung für Zwecke, die ich zutiefst missbillige – wie etwa der genannte Münchner Evangelische Kirchentag oder Kinderbibelwochen – abenteuerlich ist. In der antiklerikalen Aktion Froher Heide, im BOTEN, in der Zeitschrift Streitbarer Materialismus – die alle unter anderem der Bekämpfung des christlichen Obskurantismus gewidmet sind – ist jeder Pfennig besser angelegt als bei einer Organisation, die mit 8 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuersumme und sonstiger staatlicher Förderung ihrer befremdlichen Tätigkeiten wie etwa der permanenten Verwandlung von Wein und Brot in Blut und Fleisch ihres Stifters, die dann verzehrt werden, nicht auszukommen vermag und Geld bei Feinden eintreiben will, die sie gewiss nicht liebt. Aufschlussreich finde ich zusätzlich, dass sie neben der Verbreitung des nicht unebenen Vorschlags, keine Schätze auf Erden zu sammeln, weil Motten und Rost sie fräßen, doch die Geistesgegenwart zum Betrieb einer Spar- u. Kreditbank in der evang. Kirche in Bayern eG. hat und die Überweisung des Kirchgelds auf diese Heilsanstalt erbittet. Man kann nur beten, dass die Konten dort korrekter geführt werden als die Listen ihrer Gemeindeglieder, in die ich versehentlicher geriet als selbst Pontius Pilatus ins Credo.
Hochachtungsvoll
H. J.
Heinz Jacobi, Tod und Teufel. Polemiken, Der Bote Nr. 12. Die politisch-literarische Zeitschrift. Nachrichten aus dem Klassenstaat, München 1991, 389.