Materialien 1990
Neues von Hannes und polizeilicher Selbstjustiz
Am 31. Juli am Karlsplatz-Stachus gab es wieder eine öffentliche Aufforderung zur Blockade des A-Waffen-Lagers Bellerdorf in Hessen. Zur Überraschung der Beteiligten wurde die Aktion diesmal samt aufrufendem Flugblatt genehmigt (Damit entpuppt sich die Genehmigungspraxis als reine Willkür). Die so um ihren Einsatz gebrachten Zivilbeamten konnten dann aber doch nicht aus ihrer Haut. Trotz vorgehaltener Genehmigung beschlagnahmten sie Hannes’ Flugblätter und nahmen später auch seine Personalien auf.1 Alle anderen kamen ungeschoren davon und durften auch ihre Flugblätter weiter verteilen.
Als die Zivis dann beobachteten, dass ich die gesamte Aktion samt Beschlagnahme photographiert hatte, wurde ich abgeführt. Da ich ja mit einem beigeführten Messer die Zivis heimtückisch hätte niederstechen können, wurde ich – allerdings erst auf der Wache – abgetastet. Anschließend wur-
den auch meine Personalien „überprüft“. Ein SZ-Presseausweis wäre da nicht schlecht gewesen – nur mal so zum Spaß. Anschließend durfte ich übrigens weiter photographieren – ich bin ja jetzt registriert.
Als eine Demonstrantin die Methoden der Zivis schließlich noch mit denen der Stasi verglich, of-
fenbarte einer von ihnen dann noch ein erstaunliches räumliches Abstraktionsvermögen: „Sie ver-
wechseln da was, wir sind hier nicht in der DDR!“. Der Mann hat zweifellos recht (und das, was sich so nennt, meistens noch auf seiner Seite). Selten jedoch, dass jemand das so direkt zugibt, aber man vertut sich halt schon mal.
Hannes Fischer erhält übrigens am 9. Oktober von der Humanistischen Union den Preis „Der auf-
rechte Gang“ – zum Beispiel gegen den Untertanengeist gesellschaftlicher Organe -, der einmal im Jahr an Leute, die sich in Bayern für Demokratie und Bürgerrechte einsetzen, verliehen wird.
jochen
Stadtratte 3 vom Oktober/November 1990, 4.
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1 Das Urteil wegen öffentlichen Aufrufs zur Blockade von Militäreinrichtungen lautet 210 Tagessätze. Lieber geht er vom 8. Juli 1991 bis zum 5 Februar 1992 ins Gefängnis. Eine Demonstration begleitet ihn vom Giesinger Bahnhof bis zum Gefängnis Stadelheim.