Materialien 1990

Die BRD hilft der Türkei: Völkermord in Kurdistan!

Dokumentiert: Flugblatt des AK Kurdistan zur Aktion am 26. Oktober 1990 vor dem Innenministerium

Letzte Woche hatten aufmerksame Zeitungsleser Grund zum Erschrecken. Bundesverteidigungsminister Stoltenberg soll vor der Auslandspresse („Hurriyet“ vom 18. Oktober 1990) erklärt haben, er könne sich durchaus vorstellen, dass – nach entsprechenden Beschlüssen der NATO – die Bundeswehr an der Grenze zwischen dem Irak und der Türkei eingesetzt werden könne. Was viele nicht wissen: In dieser Weltgegend führen sowohl der Irak wie die Türkische Republik schon seit Jahren einen blutigen, grausamen Ausrottungs- und Vernichtungskrieg gegen das dort ansässige kurdische Volk, das für seine nationale Unabhängigkeit kämpft. Allein auf dem Staatsgebiet der Türkischen Republik leben etwa zwölf Millionen Kurden. Das ist der größte Teil der kurdischen Nation, die zusammen mit den Volksgruppen im Irak, im Iran, in Syrien und in der UdSSR etwa 20 Millionen Menschen zählt. Einsatz der Bundeswehr im Grenzgebiet der türkischen Republik zum Irak, bedeutet Eingreifen der Bundeswehr in einen Kolonialkrieg gegen die Kurden.

Irak – Kurdenmörder und noch gestern BRD-Freund

Der irakische Staat des Saddam Hussein betreibt die Ausrottung der Kurden. Irakisches Militär griff im Herbst 1988 kurdische Siedlungen mit Giftgas an. Allein in der Stadt Halabjah kamen Tausende um. Zehntausende andere flohen zu den kurdischen Nachbarn in das Gebiet der Türkischen Republik.

Bis vor kurzem war Saddam Hussein ein Hätschelkind der BRD-Diplomatie und -Wirtschaft im Nahen Osten. Sein Staat wurde auf das Modernste aufgerüstet, über die Verbrechen dieses Staates sah man hinweg oder ermöglichte sie durch Lieferung modernster Waffen und Giftgasproduktionsanlagen erst. Wer Staat und Wirtschaft der BRD warnte, durch Kreditgarantien und Anlagenbau ein gewissenloses, zum Mord bereites Militärregime zu stabilisieren, konnte sich leicht Verfahren wegen Verleumdung des Staates, von Unternehmen usw. einhandeln. Und was ist heute? Keiner will etwas gewusst haben.

Viele Kurden aus der Türkei leben und arbeiten in der BRD

Seit Ende der sechziger Jahre die BRD-Wirtschaft Millionen von Arbeitskräften im Ausland anwarb, leben in der BRD weit über eine Million Staatsangehörige der Türkischen Republik; etwa 400.000 darunter sind wohl kurdischer Nationalität. Die BRD-Gesetze für Ausländer bewirken, dass fast alle Verwaltungsbereiche der BRD irgendwie mit dem Staat der türkischen Republik zu tun haben. Sie verlassen sich auf Auskünfte des türkischen Staates und geben Auskünfte dorthin zurück, sie arbeiten dessen Polizei und Geheimdienst zu, sie dulden, fördern und veranlassen auch dessen Geheimdienst-Operationen in der BRD. Ein großer Teil der kurdischen Familien in der BRD unterstützt den Kampf für die nationale Unabhängigkeit Kurdistans. Da der türkische Staat dem kurdischen Volk die Selbstbestimmung nicht zubilligt, sondern solche Bestrebungen mit polizeilichen, geheimdienstlichen und militärischen Mitteln unterdrückt, sind Behörden, Angestellte und Beamte der BRD durch ihre Zusammenarbeit mit Stellen der türkischen Republik in die Unterdrückung der Kurden durch die Staatsorgane der Türkischen Republik integriert.

Türkische Armee wird in Kurdistan zusammengezogen

Die Türkische Republik gehört zur NATO und grenzt an den Irak. Der Golfkonflikt bot bereits den Anlass, einen großen Teil der türkischen Armee im Grenzgebiet zum Irak und somit im Siedlungsgebiet der Kurden zu stationieren. Der türkische Staat, in der Situation des gesuchten Bündnispartners der NATO, ergriff die Gelegenheit, um sein völkerrechtwidriges Vorgehen gegen die Kurden irgendwie zu legitimieren. Die ständige Vertretung des türkischen Staates beim Europarat gab dort eine Erklärung ab, dass man in Kurdistan die Menschenrechte aussetzen wolle. Die Praxis der Militär-, Geheimdienst-, Justiz- und Polizeibehörden geht über das kriegsrechtlich ohnehin schon mögliche weit hinaus. In Kurdistan herrscht der türkische Staat durch Terror, durch Folter.

Keine Beihilfe zum Völkermord! Keine Soldaten nach Kurdistan!

Wenn Beamte des Bundes oder des Freistaates aufgrund von Unterlagen oder Ersuchen des türkischen Staates tätig werden, leisten sie in einem grausamen, ungerechten, selbst unter Normen des Kriegsrechtes verbrecherischem Krieg Beihilfe. Soldaten, die sich in ein solches Krieggebiet schicken lassen, unterstützen einen völkerrechtlich geächteten, verbrecherischen Kolonialkrieg.


Münchner Lokalberichte 22 vom 31. Oktober 1990, 3.

Überraschung

Jahr: 1990
Bereich: Internationales

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