Materialien 1990
„Wer uns einen Nazi nennt, ist ein Verbrecher!“
Bierkampf in Bayern
Vor der schwarz-rot-goldenen Fahne steht Franz Schönhuber im Festzeit am 17. September 1990 in Gilching hinter dem Rednerpult und spricht, mit 90 Minuten Verspätung wegen eines defekten Verstärkers.
„Nein, er glaubt nicht an eine Sabotage“, beschwichtigt er seine aus Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg angereisten Fans. Franz reagiert dankbar auf Zwischenrufe seiner Gegner. „Bleiben sie doch ruhig und entkrampft“, ruft er ihnen zu und wirft die zugespielten Bälle zurück ins Publikum. Plötzlich zeigt sich Herr Schönhuber beleidigt und will nicht mehr weiterreden, bis der Zwischen-
rufer, der ihn als Nazi bezeichnet hat, das Zelt verlässt. „Wer uns einen Nazi nennt, ist ein Verbre-
cher!“ Einige Ordner packen zu – um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Der an Armen und Beinen festgehaltene Mann wird hinterrücks von Aufgestachelten gestoßen und getreten, wäh-
rend er zum Ausgang gezerrt wird. Ein weiterer Schönhuber-Anhänger stößt eine junge Frau von der Bank, so dass sie auf den Hinterkopf fällt. Bierkampf in Bayern. Bierzeltgladiatoren sind nicht zimperlich gegenüber ihren Gegnern und bevorzugen das Grobe, vor allem wenn sie Metzgersöhne sind und Franz heißen. Der „Republikaner“-häuptling gefällt sich in der Rolle des Volkstribunen und betreibt Sozialdemagogie übelster Sorte („Sozialpolitisch stehen wir links von der Sozialdemo-
kratie“). Er wettert gegen die Korruption von Gewerkschaftsbonzen (Neue Heimat). Aus der Partei-
kasse bedient sich der Chef der „Reps“ mit 200.000 DM für einen neuen, gepanzerten Mercedes. Auf Wahlplakaten ist zu lesen: „Radikal gegen den Pflegenotstand.“ Popularität verschafft man sich unter den Anhängern durch Empfehlungen an das Haus von Thurn und Taxis, Räume für Asylsu-
chende zur Verfügung zu stellen (Die eigene Villa in der Türkei steht dabei nicht zur Debatte). Der Lederhosennationalist bedient sich reichhaltig aus dem Dunstkreis der von männlichen Platzhir-
schen bevölkerten deutsch-nationalen Stammtische.
Männer- und Polizistenpartei
Lieblingsthema – Die innere Sicherheit: „Polizisten sind keine Bullen, sondern Menschen. Sie sind Staats- und Lebensschützer. Bei jedem Einsatz in der Hafenstraße einen verantwortlichen Politiker an die Spitze. Für ein striktes Vermummungsverbot.“ Die Führerpartei „Republikaner“ ist eben eine Männer- und Polizistenpartei. Am Ende der Rede fällt vom eifrigem Klatschen, Trampeln und Schenkelklopfen manchem Zuhörer die Mütze vom schwitzenden und von Bier und Schnaps geröteten Polizistenkopf.
(hew)
Münchner Lokalberichte 20 vom 3. Oktober 1990, 4.