Materialien 1990

Bauskandal um MGS-Keller im Block 49

Was geschieht mit den alten Bierkellern im Block 49? Eine Frage. die heute noch so aktuell ist … wie vor fünf Jahren. Die riesigen unterirdischen Tonnengewölbe auf dem inzwischen neubebauten Areal des Sanierungsblocks 49 (zwischen Kirchen-, Seerieder- und Einsteinstraße) sind Relikt des ehemaligen Union-Bräu-Geländes. Dem Münchner Stadtrat erschienen sie seinerzeit erhaltens-
würdig unter der Maßgabe, sie einer sozialkulturellen Nutzung im Viertel zuzuführen.

Von solchen Vorgaben hielt die bauausführende städtische Sanierungsgesellschaft MGS allerdings wenig. Sie entwickelte eigene Konzepte in Richtung Kommerzkultur und Gastronomie und ver-
stand es jahrelang, den Stadtrat bezüglich des wahren Ausbaustands der Keller im unklaren zu las-
sen. Es waren die Haidhauser Nachrichten, die im August 1990 erstmals (Blitz-)Licht ins Dunkel der Keller brachten und unter dem Titel „Bauskandal“ den wahren Sanierungszustand der Keller der Öffentlichkeit präsentierten.

Deutlich ging aus den Fotodokumenten hervor, dass die MGS keineswegs nur den Bestand gesi-
chert hatte, sondern speziell im nördlichen Kellerbereich, der nahtlos zur heutigen Gaststätte ‚Union-Bräu’ in der Einsteinstr. 42 übergeht, einen luxuriösen Vollausbau durchgezogen hatte. Ferner ließ sich auch abschätzen, daß sich durch hausgemachte Bauschäden (teilweise eingestürzte Gewölbe) die Sicherungskosten für die restlichen Keller erheblich verteuern würden.

Wie sich herausstellte, betrug die bereits besenrein fertiggestellte Kellerfläche unter dem Grund-
stock Einsteinstr. 42 satte 600 Quadratmeter: „Eine technische Meisterleistung war schon nötig, um die feuchten Keller aus der Jahrhundertwende zu sanieren. Denkmalschutz wird ganz groß geschrieben. 1.000 Meter Wassersperren mussten angelegt, Gewölbe neu gemauert werden, so-
gar der Boden unterm Keller wurde abgetragen, um die Raumhöhe zu vergrößern. Dafür muss das Fundament mit Beton unterspritzt werden. Ist der ganze Aufwand nur für ein paar Musik-
übungsräume und eine Kegelbahn?Aufgeschreckt durch Gerüchte aus der Nachbarschaft, dass es dort wohl nicht mit rechten Dingen zugehe, beantragte der Bezirksausschuss Haidhausen eine Begehung bei der Lokalbaukommission. Eine pyramidenförmige Lichtkuppel war zunächst das Objekt der Recherchen. Doch noch am gleichen Tag, als die Besichtigung stattfinden sollte, wurde Werner Walter, stellvertretender BA- Vorsitzender, herzlich ausgeladen …Der Ex-Stadtrat und Ex-MGS-Aufsichtsrat Thomas Ködelpeter, ein prinzipieller Gegner der Kellerbauten, ist über-
rascht, als wir ihm diese Bilder vorlegen. Sein Kommentar: ‚Das ist eine ungeheure Frechheit, verwundert mich aber überhaupt nicht.’ Bisher ist er wie alle Haidhauser davon ausgegangen, dass der Kellerbestand nur gesichert wird, damit er nicht weiterhin vermodert und zusammen-
bricht.“

Für die HN war klar, dass der städtische Aufsichtsrat der MGS in dieser Sache geschlafen hatte und die finanziellen Tricksereien der GmbH nicht durchschaut hatte. Dazu Werner Walter in einem In-
terview in derselben Ausgabe auf die Frage, ob hier Vollprofis (MGS) gegen Waisenknaben (Stadt-
räte) stünden: „Das ist ein wenig zu überspitzt, denn die Fraktionen haben auch einige Fachleute angestellt. Theoretisch denkbar ist jedoch, dass die Aufsichtsräte Beschlüsse fassen, deren Trag-
weite erst erkannt wird, wenn die Stadt- und Aufsichtsräte zur Einweihung schreiten … Manch-
mal kann man diesem Effekt positive Züge abgewinnen, wenn ein Wunsch verwirklicht wird, den man schon lange wollte … Es stellt sich nur die Frage, ob diese Wünsche im Einklang mit der Be-
völkerung stehen, die davon direkt berührt wird.“

Der Bauskandal (Stichwort ‚Schwarzbau’) führte unmittelbar zu einem Baustopp durch das Pla-
nungsreferat. Später sanktionierte der Münchner Stadtrat die Nutzung der bereits sanierten Kel-
lerfläche im Rahmen der neuen Gaststätte ‚Union-Bräu’. Für den restlichen Hauptteil der Keller wurde vom Stadtrat angesichts der schlechten Finanzlage von Stadt und MGS ein Einmottungsbe-
schluss gefasst. Die Millionen-Ruine harrt bis heute ihrer ‚sozialkulturellen’ Nutzung – was immer das auch sein möge.

Pil


Haidhauser Nachrichten 8 vom August 1995, 11.

Überraschung

Jahr: 1990
Bereich: Stadtviertel

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