Materialien 1991
Schüsse auf türkische Jugendliche
Am Montag, den 15. Juli 1991, fand in Neuperlach vor dem Perlacher Einkaufszentrum eine Kund-
gebung mit anschließender Demonstration statt. Aufgerufen hatten dazu Münchner Jugendver-
bände und örtliche Initiativen. Anlass waren die Schüsse, die eine Woche vorher von einem Unter-
offizier der Bundeswehr auf zwei türkische Jugendliche abgegeben wurden. Opfer waren der 20-
jährige Levent, der durch einen Beinschuss verletzt wurde, und der 19jährige Cüneyt, der am Kopf und am Oberkörper lebensgefährlich verletzt wurde.
Die bürgerliche Presse berichtete, wenn sie dem Täter überhaupt Ausländerfeindlichkeit attestie-
ren, als handele es sich um einen verwirrten Einzeltäter. Es sollte nicht vergessen werden, dass es sich bei dem „Einzeltäter“ um einen Dienstgrad der Bundeswehr handelt. Bekannt ist auch, dass innerhalb der BW fortschrittliche Anschauungen nicht gerade gefördert werden, im Gegenteil, die BW ist Brutstätte von Rassismus und Ausländerhass. Dort wird den Soldaten eben auch beige-
bracht, auf „Ausländer“ zu schießen. Genauso bereitet die Regierung mit ihrer ausländerfeindli-
chen Politik den Nährboden für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. So wird mit den Gesetzen von Innenminister Schäuble der Rassismus auch staatlich verordnet. Der ausländische Arbeiter wird entrechtet und der Willkür von Behörden ausgesetzt. Und seit dem 1. Juli wird bundesweit gemäß bayerischen Beispiel verstärkt abgeschoben, was für viele Verfolgung, Folter und Tod be-
deutet. Ebenso scheint sich die Regierung nicht daran zu stören, dass in der einverleibten Ex-DDR Skinheads auf offener Straße faschistische Parolen grölen und die Bevölkerung terrorisieren. Und wenn in München auf offener Straße mit dem Gewehr in der Hand Jagd auf ausländische Jugend-
liche gemacht wird, dann hat die Polizei nichts besseres zu tun, als die Eltern der Opfer mit Fragen zu belästigen, die darauf hinauslaufen, dass Rechtfertigungen für den Täter gesucht werden, weil er sich provoziert gefühlt haben könnte.
Gegen diese Zustände richtete sich die Demonstration, an der sich etwa 250 Menschen beteiligten. Der Demo-Zug, der zum größten Teil aus Jugendlichen bestand, endete am Parkplatz des Michaeli-
bades, dem Ort, wo die Schüsse fielen. Im Anschluss fand eine Mahnwache auf dem Odeonsplatz statt. Die vor dem Innenministerium angemeldete Mahnwache sollte aufzeigen, von wo die Ent-
rechtung und Diskriminierung unserer ausländischen Freunde und Kollegen ausgeht. Doch das KVR verlegte sie vor die Feldherrnhalle. Im München darf eben der Name der Schuldigen nicht so laut gesprochen werden.
(mah)
Münchner Lokalberichte 15 vom 24. Juli 1991, 2.