Materialien 1991
Transparenttext mit Folgen
Urteil gegen DFG/VK-Mitglieder wegen Beleidigung der Bundeswehr
Gerti Kiermeier und Christian Wunner, zwei Mitglieder der DFG/VK München, standen am 5. Juni zum zweiten Mal wegen angeblicher Beleidigung der Bundeswehr vor Gericht. Sie hatten vor ein-
einhalb Jahren bei einer Veranstaltung in der Olympiahalle ein Transparent mit der Aufschrift „Soldaten sind potentielle Mörder“ hochgehalten, bei dem das Wort „Mörder“ mit dem Begriff „Kriegsdienstverweigerer“ überschrieben war. Die Protestaktion mit dem Transparent (an der noch mehrere andere Personen teilnahmen) galt einem Werbestand der Bundeswehr, mit dem die Be-
sucher einer Rennwagen-Ausstellung („Greger-Racing-Show“) fürs Militär interessiert werden sollten. In erster Instanz lautet der Urteilsspruch: Je 750 Mark Geldstrafe für Gerti und Christian wegen Beleidigung. Am 5. und 7. Juni wurde nun in zweiter Instanz vor dem Landgericht verhan-
delt. Mit dem gleichen Ergebnis: Sowohl der Einspruch der zwei PazifistInnen als auch der der Staatsanwaltschaft wurden abgewiesen, es blieb bei der Strafe von 750 Mark. Zwei als Zeugen ge-
ladene Soldaten behaupteten, sie seien bei der Bundeswehr nicht zum Töten ausgebildet worden, sie verteidigten nur tapfer das Vaterland. Das war sogar dem Staatsanwalt zu banal. Er meinte, dass man Soldaten straflos allenfalls als „potentielle Töter“ bezeichnen könne und riet den Ange-
klagten, doch nächstes Mal diesen Text auf ein Transparent zu schreiben. Mensch fragt sich bloß, wo er den Ausdruck „Töter“ gehört haben könnte. Ein Mensch, der einen oder mehrere andere tötet, heißt nun mal Mörder, es gibt in der deutschen Sprache aus gutem Grund nur dieses Wort dafür. Auch der Richter glänzte in seiner mündlichen Urteilsbegründung nicht gerade mit Scharf-
sinn: Die Soldaten, die Hiroshima oder Dresden bombardierten, könne man korrekt als Mörder bezeichnen, bei Bundeswehrsoldaten sei das aber nicht der Fall. Sie töten im Krieg nur aus „Staats-
notwehr“. Mit dem Gewaltmonopol des Staates wird also letztendlich alles legitimiert, egal ob sich die staatliche Gewalt gegen einen „äußeren oder einen inneren Feind“ richtet. Konsequente Pazi-
fistInnen lehnen verletzende oder tötende Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung ab, egal ob sie mo-
nopolisiert ist oder nicht. Wer sich als GewaltfreieR bezeichnet, muss daher auch das Gewaltmono-
pol des Staates in Frage stellen und damit die Legitimation eines jeden Staates! Gerti und Christian wollen erneut gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.
chw
Stadtratte 7 vom Juli/September 1991, 8.