Materialien 1993

LETS München stellt sich vor

Was ist LETS?

LETS ist ein geldloses Tausch- und Verrechnungssystem, in dem Dienstleistungen und Waren zwischen den Teilnehmern getauscht werden können. Der Vorteil bei LETS gegenüber „normalem“ Tausch ist, dass kein Tauschpartner notwendig ist, der gerade das anzubieten hat, was der Andere im Moment braucht (Beispiel: Ich suche Fahrradreparatur, will aber keine Birnen dafür kaufen). Bei LETS wird der Wert der getauschten Dienste/Dinge vielmehr den Teilnehmern auf einem Konto gutgeschrieben bzw. belastet. Diese Konten stellen „moralische“ Guthaben bzw. Schulden zwischen den Teilnehmern dar.

Das LETS-System ist kein gewinnorientiertes Unternehmen, sondern eine Initiative, die ihren Mitgliedern eine gemeinnützige Dienstleistung zur Verfügung stellt. Die Kosten für Aufbau und Erweiterung des Systems werden durch die einmalige Aufnahmegebühr (DM 10,-) gedeckt; alle weiteren entstehenden Gebühren für Kontoführung (in „LETS-Währung“), Marktzeitung etc. decken lediglich die tatsächlich anfallenden Kosten.

Der Begriff „LETS“ stammt übrigens aus England, wo sich diese Tausch- und Verrechnungssysteme bereits seit etlichen Jahren bewährt haben; „LETS“ ist die Abkürzung für Local Exchange Trading System, also lokales Tausch- und Handelssystem. In München existiert die LETS-Gruppe seit 1993.

Warum LETS?

Ökologie und Wirtschaft werden zunehmend unvereinbarer; der Wachstumszwang der Wirtschaft führt einerseits zu immer größerer ökologischer Belastung, gleichzeitig lässt unser Geldsystem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Es dominiert unsinniger Binnenmarkt mit riesigen Transportwegen; kleinräumige, lokale Strukturen, Geschäfte, Firmen werden erdrückt und haben keine Chance mehr.

Es ist das Ziel von LETS, gerechten Austausch und nicht gegenseitige Ausbeutung zu fördern. LETS ist eine Art ökonomische Selbsthilfe – eine Börse zum Austausch von Dingen, Diensten und Talenten.

LETS fördert soziale Kontakte im Wohnumfeld, Vertrauen, Unmittelbarkeit, Gemeinschaftssinn und Autonomie.

LETS kann auch brachliegende Fähigkeiten wieder in Umlauf bringen; wer sich in LETS engagiert, kann Fähigkeiten einbringen, die auf dem „normalen“ Markt keine Chance haben. LETS fördert das Nachdenken darüber, was „Wert“ bedeutet, und welche Fähigkeiten wichtig und wertvoll sind — obwohl LETS-Währung keinen monetären Wert hat, kann man mit ihr kaufen und verkaufen. LETS fördert Reparatur, Wiederverwendung und Recycling.

Wie funktioniert LETS?

Bei LETS verfügt jeder Teilnehmer über ein Konto. Die „Währungseinheit“ heißt Kirchheimer, wobei zwanzig Kirchheimer den Wert von einer Stunde geleisteter Arbeit darstellen. Diese Währungseinheit dient lediglich zum Verrechnen der getauschten Leistungen und hat keinerlei Zusammenhang zur Landeswährung.

Die Teilnehmer erfahren über eine Marktzeitung das Angebot der anderen Teilnehmer und können darin auch ihre Gesuche eintragen lassen. Die Tauschvorgänge werden über „LETS-Schecks“ der LETS-Zentrale mitgeteilt und dort auf den Konten verbucht.

Ein Beispiel: A schneidet B die Haare; das dauert eine halbe Stunde. B stellt A einen LETS-Scheck in Höhe von 10 Kirchheimer aus, den dieser bei der LETS-Zentrale einreicht. Daraufhin wird das Konto von B um 10 Kirchheimer erniedrigt, das Konto von A um 10 Kirchheimer erhöht. Mit seinem Guthaben kann A dann wieder von einem anderen Teilnehmer eine Dienstleistung in Anspruch nehmen usw.

Was kann mit LETS verrechnet / getauscht werden?

Im Prinzip kann im LETS-System jede Dienstleistung und Ware zwischen den Teilnehmern getauscht/verrechnet werden; z.B. Kinderbetreuung, Reparaturen, PC-Beratung, Tapezieren, Lebensmittel usw.

Wie erfahre ich, was im LETS-System getauscht wird?

Monatlich erscheint die LETS-Marktzeitung, in der die aktuellen Angebote und Gesuche der Teilnehmer veröffentlicht werden; Sie können dann direkt telefonisch mit dem jeweiligen Teilnehmer in Kontakt treten.

Derzeit (Mai 1996) sind in der Marktzeitung ca. 1.200 Angebote und Gesuche verzeichnet; Tendenz steigend.

Rubriken, unter denen derzeit angeboten und gesucht wird:

Haus, Familie, Kinder * Fahrten/Transporte * Büro/Verwaltung/Schreiben * Reparaturen * Kunst und Handwerk * Garten/Pflanzen * Textilien/Schuhe/Kleidung * Sprachen/Übersetzungen * Essen/Kochen * Therapie und Beratung * Spirituelles * Künstlerische Darbietungen * Sport * Bauarbeiten * Altenhilfe * Unterricht * Gesundheit/Körperpflege * Beratung verschiedener Art * und anderes …

Die Marktzeitung erhalten LETS-Teilnehmer im LETS-Treffpunkt oder bei den Stadtteiltreffen gegen einen kleinen Unkostenbeitrag.

Wer kann bei LETS mitmachen?

Jeder, der interessiert ist, eine neue Form des Austauschs mit seinen Mitmenschen auszuprobieren, außerhalb des üblichen Geldsystems. Arbeitslose, die durch Einbringen ihrer Fähigkeiten und Talente ökonomische Vorteile und neue soziale Kontakte erschließen wollen. Kleinbetriebe/Läden, die sich die Chancen von Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften erschließen wollen. Bis zum Mai 1996 hat LETS München 250 Teilnehmer; Tendenz steigend.

Weitere Informationen über LETS erhalten Sie bei:
Elisabeth Hollerbach, 089/1504002
Robert Langer, Waisenhausstr. 48, 80637 München. Tel. 089/1573493

Regelmäßiges LETS-Info-Treffen: Letzter Montag im Monat, 19.30 Uhr im Stadtcafe der Diakonie, Kurfürstenstr. 34, 80799 München oder Sie kommen zu den Stadtteiltreffen:
Stadtteiltreffen Schwabing: Jeweils am ersten Freitag im Monat in der Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, um 19.30 Uhr.
Stadtteiltreffen Neuhausen: Jeweils am zweiten Montag im Monat im WERK-HAUS, Leonrodstr. 19, um 20 Uhr.


Münchner Lokalberichte 12/13 vom 20. Juni 1996, 8.