Materialien 1993

Erklärung zur Aktion in den Kammerspielen

ÖkoLi auf Münchner Bühne

Mit einem Transparent sowie einer politischen Erklärung haben Mitglieder der Ökologischen Linken heute Abend in den Münchner Kammerspielen gegen die endgültige Abschaffung des Asylrechts protestiert. Die Ökologische Linke fordert, das Asylrecht nicht abzuschaffen, sondern auszuweiten auf die gegenwärtige Situation kollektiver rassistischer und sexistischer Verfolgung und massenhaften Elends. Während weltweite deutsche Landsereinsätze unter dem Vorwand der Menschenrechte durchgeführt werden, wird das Menschenrecht Asyl begraben, erhalten verfolg-
te Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien – serbische Deserteure oder vergewaltigte Frauen beispielsweise – kein Asyl! Mit unserer Aktion wollen wir alle Münchnerinnen auffordern, sich in den nächsten Tagen an den vielfältigen Protestaktionen gegen die Abschaffung des Asylrechts zu beteiligen.

Wir protestieren mit dieser Aktion gegen die endgültige Abschaffung des Grundrechts auf Asyl durch den deutschen Bundestag in dieser Woche. Das Recht auf Asyl steht im Grundgesetz als eine der wenigen Lehren aus dem deutschen Faschismus, ohne jeden Zusatz schlicht: »Politisch Ver-
folgte genießen Asylrecht.«

Nach einem Bericht des Menschenrechtszentrums der UNO vom April 1993 ist die Hälfte der Menschheit Opfer ernsthafter Menschenrechtsverletzungen: Folter, Hinrichtung und Vergewalti-
gung, willkürliche Festnahmen, Gewalt und Verschwindenlassen, extreme Armut, Sklaverei, Kin-
desmißbrauch und Hunger. 1,4 Milliarden Menschen leben in absoluter Armut.

Dies ist das Ergebnis von 500 Jahren Kolonialismus und Kapitalismus. Die sozialen und ökonomi-
schen Strukturen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sind den Interessen der Banken und Konzer-
ne aus der EG, den USA und Japans untergeordnet. Millionen von Menschen wurden aus ländli-
chen Regionen vertrieben in die städtischen Slums, wo es keine Perspektive gibt. Die ökologische Zerstörung dieser Länder schreitet voran, längst überwunden geglaubte Krankheiten wie die Cho-
lera sind wieder auf dem Vormarsch. Die Eliten dieser Staaten halten sich mithilfe westlicher Re-
gierungen durch Terror und Gewalt. Millionen von Menschen flüchten vor dieser Gewalt, vor ras-
sistischer und sexistischer Verfolgung, vor Hunger und Elend, vor den Folgen ökologischer Kata-
strophen.

Durch staatliche Grenzen ist die Welt als globales Apartheidssystem strukturiert. Grenzen stabili-
sieren soziale Ungleichheit – Reichtum in den Zentren des Kapitalismus, Armut in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. An den Grenzen der BRD bzw. der EG werden Menschen selektiert nach ihrer Hautfarbe, nach ihrem Geschlecht, ihrer politischen Gesinnung. Herein darf, wessen Arbeitskraft für das Kapital von Nutzen ist: billige, junge, überwiegend männliche Arbeitskräfte.

Der Grundgesetzartikel 16, das Asylrecht, war gedacht für individuell – in einem sehr eng verstan-
denen Rahmen – politisch Verfolgte. Es wird der aktuellen Situation kollektiven Elends und kol-
lektiver Verfolgung nicht gerecht. Abgesehen davon, daß es seit 1978 durch Asylgesetzte und Ver-
ordnungen der CDU/CSU, SPD und FDP ausgehöhlt wurde, daß deutsche Gerichte nicht einmal Folter als Asylgrund anerkennen. Wir verlangen statt der Abschaffung eine Ausweitung des Asyl-
rechts!

 Wir protestieren trotz dieser Unzulänglichkeit des geltenden Asylgrundrechts gegen die beab-
sichtigte Änderung, weil sie die Situation der Flüchtlinge konkret verschlechtert.

 Wir rufen auf zum Protest und Widerstand gegen den staatlichen Rassismus, gegen CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne, die heute umsetzen, was Schönhuber seit langem fordert.

 Gegen den Rassismus zu sein, heißt für uns auch, gegen eine Wirtschaftsordnung zu kämpfen, die Mensch und Natur ausbeutet und zerstört, die die Ursache für Elend, Repression und Krieg ist.

 Kampf gegen den Rassismus heißt für uns, offene Grenzen zu fordern für alle Menschen, die hierher kommen.

 Beteiligen Sie sich in den kommenden Tagen an den Protestaktionen gegen die endgültige Ab-
schaffung des Asylrechts!

Wie bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit!
München, den 24. Mai 1993


Ökolinx 11 vom Juni 1993, 13.

Überraschung

Jahr: 1993
Bereich: Flüchtlinge

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