Materialien 1993

einstürzende bauSUBstanzen

Das „sub – Zentrum schwuler Männer“ ist eine der größten Selbsthilfeeinrichtungen Münchens. Etwa einhundertsiebzig Besucher pro Tag – das sind ungefähr fünftausend im Monat- nutzen die vielfältigen Angebote, die von etwa hundert ehrenamtlichen und zwei Halbtags beschäftigten hauptamtlichen Mitarbeitern auf die Beine gestellt werden. Doch jetzt droht vielen der zahlreichen Projekte, die in den letzten sieben Jahren im Sub entstanden sind, das Aus.

Auch für nicht-schwule Einrichtungen wie die Münchner Aids-Hilfe und die Telefonseelsorge ist das Sub ein wichtiger Partner. „Im Vergleich zu anderen Gruppen, die Geld von der Stadt kriegen, leisten wir mit Abstand am meisten Arbeit“, sagt Robert vom Vorstand des Trägervereins SchwuKK, „Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum“, nicht ohne Stolz.

Wegen Einsturzgefahr musste das Zentrum das städtische Gebäude an der Müllerstraße 38 räumen, es verbleiben lediglich wenige Quadratmeter auf Hausnummer 44. „Alles, was nicht Beratung oder Infothek ist“, klagt Robert, „fällt weg“.

In erster Linie betrifft das das Café Regenbogen, für das nun überhaupt kein Platz mehr ist. Aber auch viele der dreizehn Sub-eigenen und dreißig externen Selbsthilfegruppen sind jetzt heimatlos. Individuellen Ersatz zu finden, ist zwar nicht unmöglich – die Gruppe „Homosexuelle und Kirche“, meint Robert, könne man sicher in der Mariannenkirche unterbringen oder die „schwul-lesbischen anonymen Alkoholiker“ bei ihrem Dachverband – doch es habe sicher einen Sinn, „dass die hier sind und nicht da.“

Das Schlimmste ist die räumliche Trennung der verschiedenen Angebote. Die Nutzung von Beratung und Information hängt schließlich auch davon ab, dass ein niederschwelliges Angebot wie das Café besteht. „Ich rekrutiere ja meine Beratungsfälle aus der Kneipe“, sagt Robert, der auch als ehrenamtlicher Streetworker der Aids-Hilfe fungiert.

Organisations-Boom

Das Aus für das Sub kommt gerade in einer Zeit, in der die Münchner Schwulenbewegung expandiert, in der sich immer mehr der etwa 80.000 im Stadtbereich lebenden Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlichen Präferenzen zu organisieren beginnen. „In München besteht da ein großer Nachholbedarf“, erklärt sich Robert diese Entwicklung.

Besonders im Jugendbereich tut sich momentan viel. So entsteht gerade eine Jugendvereinigung mit schwul-lesbischem Schwerpunkt, bei der aber auch Heteros Mitglied werden können. Diese hat jetzt die Aufnahme in den Kreisjugendring (KJR) beantragt. „Das ist emanzipatorisch schon ein ziemlicher Paukenschlag“, freut sich Robert. Immerhin sitzen im KJR auch Organisationen wie die Katholische Landjugend. Da könne man schon durch das bloße Erscheinen etwas bewegen. Außerdem, grinst das SchwuKK-Vorstandsmitglied, müsse der Staat Bayern dann mit 44 Mark Grundförderung pro Mitglied und Jahr erstmals etwas für die Schwulen- und Lesbenarbeit bezahlen: „Das erscheint mir wie Ostern und Weihnachten zusammen.“

Sub sucht neue Räume.

Doch bevor weitere große Pläne geschmiedet werden können, muss das Sub eine neue Unterkunft finden. Von der Stadt erwartet der SchwuKK-Vorstand dabei kaum Hilfe. Auch wenn diese Geld gebe, sagt Robert, könne man nicht gerade davon sprechen, dass sie die Arbeit des Sub unterstütze. So wolle die Leiterin des Gesundheitsamtes, Edith von Loeffelholz. einfach nicht anerkennen, dass das Sub auch Präventionsarbeit in Sachen Aids leiste. Dabei habe sogar die Enquete-Kommission des Bundestages erklärt, jeder, der emanzipatorische Arbeit leiste, leiste zwangsläufig Präventionsarbeit. „Das ist schon deshalb so“, erklärt Robert, „weil jeder, der sich in schwule Zusammenhänge begibt, zwangsläufig rasch informierter wird.“

Auch sonst sei München für die Schwulenbewegung ein schweres Pflaster. Eine „Safer-Sex-Party“ – in Berlin und sogar Nürnberg kein Problem – sei ein Ding der Unmöglichkeit: „Das hätte wahrscheinlich die standrechtliche Erschießung sämtlicher Organisatoren zur Folge.“

Mit den begrenzten Mittel und gegen die Anfeindungen konservativer Hausbesitzer sucht das Sub nun also ein Ladengeschäft mit 300 bis 500 Quadratmetern, zu einem Quadratmeterpreis von höchstens 25 Mark. Dringend erforderlich ist, dass Café und Info-Zentrum trennbar sind. Schwierig macht die Suche auch der Wunsch, dass sich das Objekt nicht weit vom Gärtnerplatz- oder Glockenbachviertel befinden soll. Dort nämlich konzentrieren sich die Treffpunkte für Schwule. Einen so idealen Platz wie derzeit, fürchtet Robert, werde man nicht mehr finden: „Wir sind hier nicht weit von der Hans-Sachs-Straße und die ist das Zentrum hier in München.“

zolf


Stadtratte 18 vom Dezember/Januar 1993/1994, 14.

Überraschung

Jahr: 1993
Bereich: Schwule/Lesben

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