Materialien 1994

ein einschnitt in unsere geschichte

„wir werden angriffe auf führende repräsentanten aus wirtschaft und staat für den jetzt notwendigen prozess einstellen“ – Dieser Satz stand in einer Erklärung der RAF vom 10. April letzten Jahres und war der in der Öffentlichkeit am meisten beachtete aus dieser Erklärung. Die Erklärung beginnt: „an alle, die auf der suche nach wegen sind, wie menschenwürdiges leben hier und weltweit an ganz konkreten fragen organisiert und durchgesetzt werden kann. das ist auch unsere suche.“

Die GenossInnen begründeten im folgenden die Notwenigkeit neue Bestimmungen „für eine politik herauszufinden, die tatsächliche veränderungen für das leben der menschen heute durchsetzten kann, und die längerfristig den herrschenden die bestimmung über die lebensrealität ganz entreißt“. In einen solchen Prozess von „diskussionen und aufbau einer gegenmacht von unten“ könne die Guerilla nicht im Mittelpunkt stehen.

„wesentlicher bestandteil“ davon muss aber auch der Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen sein – so die RAF damals. Deshalb behielt sie sich auch militante Mittel vor, für den Fall, dass der Staat sich in der Gefangenenfrage nicht bewegt. Damals schien es möglich, dass einige Gefangene aus RAF und Widerstand auf Grund der sog. Kinkelinitiative freikommen.

Im August kam dann ein acht DIN-A3-Seiten langes Papier der RAF, in dem sie ihren Schritt noch mal begründete und versuchte, ihre Erfahrungen und ihren Diskussionsprozess für andere verständlich zu machen. Denn: „wenn wir heute einen schnitt in unserer geschichte machen, dann auch dafür, dass wir unsere erfahrungen reflektieren, um sie für uns und andere nutzbar zu machen.“

In der Erklärung, die die RAF nach Weiterstadt1 am 30.3. veröffentlichte, knüpft sie daran an. Hier einige Auszüge daraus: „es hat sich nichts daran geändert, dass wir den einschnitt in unsere geschichte, den wir gemacht haben, brauchen und wollen. denn wir sind auf einen prozess aus, in dem soziale gegenmacht von unten und daraus eine neue vorstellung für den revolutionären umwälzungsprozess entwickelt werden kann. das erfordert eine diskussion, in der sich die unterschiedlichsten menschen finden und neue grundlagen und gemeinsame kriterien für diesen prozess schaffen. (…) dieser prozess hat für uns nach wie vor die größte priorität. (…) seitdem wir vor einem jahr die eskalation von unserer seite aus zurückgenommen haben, hat der staat die verfolgung fortschrittlicher menschen, die politische gegnerInnen dieses systems sind, teilweise noch verschärft: versuche, aus der vereinzelung heraus räume für eine andere entwicklung zu erkämpfen, werden nach wie vor niedergemacht. herausragendes beispiel war der versuch, den gegenkongress gegen den weltwirtschaftsgipfel in münchen von vorne herein zu verhindern, eine internationale diskussion unmöglich zu machen sowie die einkesselung der demonstration. (…) wir sind oft kritisiert worden, dass wir in der erklärung vom april letzten jahres unsere entscheidung zur zäsur mit der situation der gefangenen bzw. überhaupt dem staatlichen vernichtungswillen verknüpft hätten. (…) es ist quatsch zu sagen, wir hätten damit uns bzw. die frage der weiterentwicklung revolutionärer politik von der situation der gefangenen abhängig gemacht. aber tatsache ist auch, dass unser schritt z.b. auswirkungen darauf hat, wie der staat mit der frage nach der freiheit der politischen gefangenen umgeht. das ganze ist eine widersprüchliche situation; damit müssen wir umgehen und uns darin bewegen können. wir leben schließlich nicht im luftleeren raum.“

muf

(Für die Darstellung der RAF-Erklärungen seit April letzten Jahres war hier sehr wenig Platz. Ausführliche Informationen gibt es in gut sortierten Buch- und Infoläden.)


Stadtratte 14 vom Mai 1993, 6.

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1 Gemeint ist der Sprengstoffanschlag auf den Knastneubau in Weiterstadt/Hessen vom 27. März 1993.

Überraschung

Jahr: 1994
Bereich: Militanz

Referenzen