Materialien 1996
Die permanente präventive Konterrevolution!
(die dauernde vorbeugende Gegenrevolution)
Das politische System der BRD
Am 15. Mai 1996 fand in München ein Antifa-Festival mit über 1.000 Leuten statt. Einen der dort gehaltenen Redebeiträge dokumentieren wir vollständig. Die politische Analyse, die darin vertre-
ten wird – wie z.B. „Ob Bulle mit Knüppel oder Grüner mit Blume, beide zielen auf die Erhaltung der imperialistischen BRD …“ können wir allerdings nicht unterstützen. – (dil)
Wenn DemonstrantInnen, wie z.B. anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels 1992 in München oder während des Castor-Transports Anfang Mai 1996 brutal zusammengeschlagen werden, dann zeigt sich der Zweck des staatlichen Gewaltmonopols sehr offensichtlich.
Die Existenz von Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung (GSG 9, USK, SEK oder MEK) ma-
chen deutlich, dass solchen Einsätzen nicht Zufall, sondern Struktur zugrunde liegen.
Die Logik des Staates systemgegnerischen Kräften keinen Spielraum zu lassen überrascht nicht. Das staatlich beanspruchte Gewaltmonopol dient offiziell zum Schutz der inneren Sicherheit, in Wirklichkeit dazu, ihre dreckigen Geschäfte (Sozialabbau, Atomtransporte usw. …) in Ruhe durchführen zu können.
Staatliche Gewalt beschränkt sich jedoch nicht alleine auf Gummiknüppel, sondern umfasst außerdem das Spektrum der institutionalisierten Gewalt, die nach außen nicht als solche erkenn-
bar sein soll.
Als institutionalisierte Gewalt verstehen wir z.B. die Isolationshaft in den Knästen der BRD, unter denen politische Gefangene (KurdInnen, RAF-Leute) zu leiden haben. Sie sind weitestgehend von anderen Mitmenschen getrennt (23 Stunden Einzelhaft, 1 Stunde allein Hofgang und alle 14 Tage 30 Minuten Besuchszeit hinter einer Glastrennscheibe ). Diese Haftbedingungen sind offiziell und laut amnesty international Folter!
Ein anderes Beispiel ist die tägliche Abschiebung von Flüchtlingen in Elend und Krieg. Strategie des Staates sich unliebsamen Widerstands dagegen zu entledigen ist es, ihn zu isolieren (von seiner Basis zu trennen) und dann militärisch zu zerschlagen oder ihn zu integrieren (in für den Staat un-
gefährliche Bahnen zu lenken).
Die Partei der Grünen gibt hierfür ein klassisches Beispiel ab. Was der Staat in bezug auf den mas-
senmilitanten Widerstand gegen die AKWs in jahrzehntelanger paramilitärischer Bekämpfung nicht schaffte, setzten die Grünen innerhalb weniger Jahre um. Sie spalteten den Widerstand, in-
dem sie die Leute in Gewalttäter und Gewaltlose einteilten und integrierten, indem sie die Aktio-
nen weg von dei Straße hin auf eine parlamentarische und juristische Ebene verlagerten.
Demnach hat der Spruch: „ Wenn es die Grünen nicht gäbe, hätte der Staat sie erfinden müssen“ heute mehr Bedeutung denn je.
Aus der Geschichte zu lernen heißt deshalb auch, die verschiedenen Methoden der Aufstandsbe-
kämpfung zu begreifen und sich darauf vorzubereiten. Auf der einen Seite wird der Staat nicht integrierbaren Widerstand immer bekämpfen, mit den Mitteln politischer Gewalt, auf der anderen Seite aber tunlichst vermeiden sein wahres Gesicht allzusehr zu offenbaren, um unter den Massen keine unkontrollierte Solidarität und Radikalität zu erzeugen.
Protest, der rein moralisch bleibt, d.h. zwar verurteilt, aber nicht die Grundlagen des herrschenden Systems angreift, hat zur Folge, dass sich auch bürgerlich reformistische Parteien auf „unsere Sei-
te“ stellen, Demonstrationen etc. machen. Verminderte Polizeianwesenheit ist die Folge. Nur ist dies nicht unbedingt gut, denn ein solches Befriedungsprojekt bedeutet keine Stärkung des Wider-
stands, sondern Schwächung. Parteien wie SPD und die Grünen wollen legitimen militanten Wi-
derstand wie aktuell im Wendland entschärfen, indem sie ihn in staatskonforme Bahnen lenken.
Mit diesem Beispiel wollen wir die doppelseitige Strategie des Staates aufzeigen. Beide Seiten staat-
licher Mobilmachung zielen auf die Schwächung bzw. die Zerschlagung des Widerstands ab. Ob Bulle mit Knüppel oder Grüner mit Blume, beide zielen auf die Erhaltung der imperialistischen BRD (ob bewusst oder unbewusst spielt dabei keine Rolle)!
Alle taktischen Spielräume, die dieses System uns gewährt, sind an den gesetzlichen Rahmen ge-
bunden. Und genau der bedeutet nichts anderes, als die herrschenden Macht- und Eigentumsver-
hältnisse zu erhalten, ob nun mit Gewalt oder durch Integration ist dabei nur eine Frage der Taktik bzw. der Stärke des Staates.
Die Härte der Repression ist nicht immer gleich. Mal konzentriert sie sich auf isolierte Gruppen, die zur Abschreckung als Feindbilder aufgebaut werden, mal verfolgt sie ganze Bevölkerungsgrup-
pen und Minderheiten (z.B. KurdInnen).
Die Härte und die Art und Weise, mit der der Staat durchgreift, hängt damit zusammen, wie ein-
heitlich und geschlossen sich die Menschen gegen die sozialen und politischen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen, oder eben nicht.
Solidarisiert euch mit kriminalisierten Menschen!
Greift ein bei Übergriffen gegen Punks, Obdachlose, Kurdinnen, Flüchtlinge usw. …!
Lasst das Befriedungskalkül des Staates nicht aufgehen!
Gebt euch nicht zufrieden mit 2 Prozent Lohnerhöhung oder einem Jugendzentrum am Stadt-
rand!
Nur im Zusammenkommen der unterschiedlichsten Forderungen nach grundlegender Verände-
rung der Macht- und Besitzverhältnisse und im Zusammenwirken der verschiedenen Kampffor-
men ist eine klassenlose Gesellschaft möglich!
Am Antifa-Festival (vom 15. Mai 1996) gehaltener Redebeitrag. Zum Antifa-Festival, das Polizeige-
walt thematisch behandelte (durch Ausstellungen, Transpas, Redebeiträge, Filme) kamen über 1.000 (!) Leute.
Kontakt: zusammen kämpfen, c/o infoladen münchen, breisacherstr. 12, 81667 München
Münchner Lokalberichte 12/13 vom 2. Juni 1996, 10.