Materialien 1996

Die Polizei: wessen Freund und Helfer?

Am 3. Februar um 21.30 Uhr wurde die 15jährige T. in der Fürstenriederstraße festgenommen, da sie angeblich Wahlplakate der Republikaner mit dem Aufdruck „Bayern sichern – ausländische Straftäter sofort ausweisen“ zerstört hatte. Ihr wurde von einem Polizeibeamten der Arm nach hinten gedreht und anschließend Handschellen angelegt. Mit dem Satz – „Du weißt schon warum“ – wurde sie in den Einsatzwagen geschoben und zum Polizeirevier 33 nach Laim gebracht.

T.’s Freundin, die nach der Adresse des Reviers fragte, antworteten die hilfreichen Polizisten, dies würde in jedem Telefonbuch stehen. Im Auto bedankte sich der Beamte bei T., dass sie die Plakate abgerissen hat, da sie so endlich jemanden erwischt hätten.

Beim Betreten der Wache rief dieser Beamte seinen Kollegen zu, er habe eine politisch Motivierte, die Plakate der Republikaner abgerissen hat, worüber sich alle großartig amüsierten. Einer der Polizisten fand es schade, dass sie ein Mädchen sei, weil er sie dann nicht untersuchen könne. T. wurde in eine Zelle gebracht und endlich von den Handschellen befreit. Sie musste sich bis auf die Unterhose ausziehen, während die anwesenden Beamtinnen ihre Taschen inspizierten.

Inzwischen war die Mutter von T.’s Freundin auf dem Revier eingetroffen. Sie erkundigte sich, ob es denn nötig sei, ein 15-jähriges Mädchen in Handschellen festzuhalten. Die Antwort des Polizisten: „In Amerika gibt es 12jährige Mörder“.

Nach der Untersuchung musste T. noch bis 23.00 h in der Zelle warten, um dann zu erfahren, dass sie nun – wieder in Handschellen gelegt – zur erkennungsdienstlichen Ermittlung in die Ettstraße gebracht würde. Auf der Fahrt dorthin erledigten die pflichtbewussten Beamten noch eine Verkehrskontrolle am Hauptbahnhof. Im Polizeipräsidium wurden von ihr Fingerabdrücke, Lichtbilder und Schriftproben gemacht.

Um die ganze Aktion noch abzurunden, veranlasste die Polizei eine sofortige Hausdurchsuchung bei T. Die Beamten legten sich die Dienstwaffen um und fuhren mit T. nach Hause. Vor der Haustüre wartete schon ein Einsatzwagen aus Laim, um das Haus zu observieren. Nachdem die Beamten T.’s Zimmer durchsucht hatten, verabschiedeten sie sich um 1.30 h.

T. wurde während der Festnahme weder über ihre Rechte aufgeklärt noch wurde ihre Mutter verständigt. Hier stellt sich mir die Frage, mit welchem Recht die Polizei eine Fünfzehnjährige, die angeblich Republikanerplakate entfernte, wie eine Schwerverbrecherin behandelt und einer Mörderin gleichstellt.

Ohne den Beamten in diesem Fall etwas zu unterstellen, gibt die Tatsache, dass eine Vielzahl der Wähler von Republikanern und Bund Freier Bürger im Staatsdienst tätig sind, doch zu denken. Man kann darüber spekulieren, ob ein direkter Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und der überzogenen Vorgehensweise der Polizei besteht.

Vor kurzem wurde die Studie „Polizei und Fremde“ im Auftrag der Innenministerkonferenz 1994 erstellt. In Gesprächen mit Polizisten wurde festgestellt, dass Polizeibeamte ein „aggressives Potential haben, das im Umgang mit Ausländern rasch zu Selbstjustiz führen könne“. Als Gründe für die Übergriffe wurden Alltagsfrust, Überbelastung, mangelnde Schulung im Umgang mit Ausländern und feindlich gestimmte Medien gegenüber der Polizei angegeben.

Fest steht, dass nicht nur ausländische Mitbürger, sondern auch die Befürworter einer multikulturellen Gesellschaft die Zielscheiben der Polizei sind. Ausländische Falschparker und friedliche Demonstranten – wie beim WWG 1992, die von Polizisten stundenlang eingekesselt wurden -, sind den Foltermethoden und Misshandlungen der Polizeibeamten hilflos ausgeliefert. Sie können mit noch so vielen Beweisen gegen die Staatsdiener vor Gericht ziehen, Klagen gegen Polizisten werden in der Regel niedergeschlagen.

In Hamburg und Frankfurt scheint die Justiz langsam aufzuwachen und Ermittlungen dieser Art ernst zu nehmen, doch in Bayern müssen wir wohl noch lange darauf warten.

ing.


Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 29 vom März 1996, 8 f.

Überraschung

Jahr: 1996
Bereich: Bürgerrechte

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